Home WirtschaftTourismus Zwischen Luxus und Verantwortung

Zwischen Luxus und Verantwortung

by Hans Mecklenburg
12 views

Es ist wieder so weit. Die Tage werden länger, die Häfen erwachen aus dem Winterschlaf, und auf den Websites der Reedereien funkeln die Luxuskabinen in Hochglanzoptik. Der Saisonbeginn der Ostseekreuzfahrten kündigt sich an – mit verheißungsvollen Versprechen von Erholung, Entschleunigung und maritimer Eleganz. Und doch bleibt der Eindruck zurück, dass sich etwas verschoben hat. Nicht dramatisch, nicht abrupt. Aber spürbar.

Denn so sehr die Ostsee in deutschen Urlauberherzen noch immer verankert ist, so wenig lässt sich derzeit von einem ungebrochenen Boom sprechen. Die Zahlen zeigen Schwankungen – keine klare Trendlinie, sondern vielmehr ein Zögern, ein Abwägen. War früher die Kreuzfahrt ein Ausdruck von Fernweh und Fernsicht, wird sie heute häufiger begleitet von Fragen, die nicht in Prospekten beantwortet werden: Fragen nach Sinn, Verantwortung und geopolitischer Realität.

Ein wesentlicher Einschnitt, kaum übersehbar, ist der Wegfall zentraler Routen. St. Petersburg – einst kultureller Höhepunkt vieler Ostseerouten – ist aus dem Fahrplan gestrichen. Die politische Lage, ausgelöst durch den russischen Angriff auf die Ukraine, hat die Karten neu gemischt. Zwischen Finnland und Russland wird kaum noch gefahren. Wer heute eine Kreuzfahrt bucht, sieht nicht nur auf Seekarten, sondern auf weltpolitische Linien, auf Sanktionen und Sicherheitsbedenken. Man reist nicht mehr durch ein neutrales Blau, sondern durch Zonen wachsender Komplexität.

Das hinterlässt Spuren – auch in den Köpfen. Die einst so reibungslos gleitende Branche sieht sich neuen Fragestellungen gegenüber. Umweltfragen etwa, die sich nicht mehr nur in Broschüren beantworten lassen. Der CO₂-Ausstoß einer einzigen Kreuzfahrt lässt sich nicht wegwischen, ebenso wenig die Bilder von überbordenden Buffets, deren Reste oft nicht mit Genuss, sondern mit schlechtem Gewissen zurückgelassen werden. Zehn Restaurants an Bord – zehn Versuchungen, die selten leer, aber oft halb gegessen zurückbleiben. Natürlich wird ein Teil gespendet, so sagt man – an Tafeln, an soziale Einrichtungen. Doch auch das wirkt eher wie ein Feigenblatt auf hoher See.

Und trotzdem – die Sehnsucht bleibt. Eine Woche Auszeit, sich vom Wellenschlag statt vom Nachrichtenstrom wiegen lassen, nicht permanent erreichbar sein, sondern nur dort, wo Horizont und Cocktailglas sich treffen. Es gibt sie, diese besondere Art des Kreuzfahrens, die das Leben nicht eskapistisch ignoriert, sondern ihm eine Pause gönnt. Luxus muss nicht immer Dekadenz sein – kann, in klug gestalteter Form, auch Würde haben.

Doch selbst hier: das Preisschild glänzt. Die gestiegenen Kosten, sei es durch Inflation, durch Energiepreise oder durch die Nachwirkungen der Pandemie, machen die Entscheidung für eine Kreuzfahrt nicht mehr so leicht wie einst. Die Zielgruppe ändert sich. Früher „eine Reise für alle“, heute immer öfter ein Luxusgut. Und mit dieser Verschiebung kommt auch eine neue Nachdenklichkeit – über Zugang, über Verteilung, über das Recht auf Ruhe.

Vielleicht ist das der eigentliche Trend: nicht das unkritische Buchen, sondern das reflektierte Reisen. Eine Bewegung hin zu mehr Bewusstsein, mehr Fragen, vielleicht auch mehr Zurückhaltung. Die Ostsee bleibt – mal still, mal aufgewühlt, mal einladend, mal verstimmt. Aber sie zwingt heute mehr als früher dazu, sich selbst mitzunehmen auf die Reise, mitsamt aller Zweifel.

Denn in einer Zeit, in der das Helfen manchmal politisch nicht mehr erlaubt ist – etwa wenn Häfen nicht mehr angelaufen werden dürfen –, bleibt auch die Kreuzfahrt nicht nur ein Spiegel der Gesellschaft, sondern ihrer Widersprüche. Zwischen Freiheit und Verantwortung, Genuss und Gewissen, Erholung und Realität.

Und so gleiten sie wieder über das Meer, die schwimmenden Städte. Glänzend, bunt beleuchtet, mit Theater und Wellness, Gin-Tasting und Shuffleboard. Aber mit einem anderen Echo. Einem leiseren. Eines, das fragt: Wohin fahren wir eigentlich – und warum?

ⓘ Hintergrund:
Die Kreuzfahrtbranche hat seit 2022 deutliche Einbußen bei Ostseerouten hinnehmen müssen. Russland wird aufgrund des Ukraine-Kriegs weitgehend gemieden, was frühere touristische Magneten wie St. Petersburg ausschließt. Hinzu kommen steigende Umweltbedenken, hohe Betriebskosten und sinkende Buchungen bei Mittelklassekunden. Experten sprechen von einer „Neudefinition des Markenkerns“ bei vielen Reedereien – hin zu nachhaltigerem Tourismus, sofern das mehr ist als Greenwashing.

Related Articles

Leave a Comment

YIVEE - Nachrichtenmagazin Aktuell Extra

Unterhaltungsmagazin mit News Beiträgen aus vielen Bereichen einer modernen Illustrierten. YIVEE.de – Jung! Informativ! Verantwortungsvoll! – Kritisch, klar und auf den Punkt!

Verfügbarkeit

Copyright @2024  All Right Reserved – Developed by PenciDesign Design by Exact-Media