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Altbauten, junges Geld

von Hans Mecklenburg
Renovierungsbedürftiger Altbau mit aufgerissener Wand, freigelegtem Ziegelmauerwerk und großem Fenster mit Blick auf grüne Bäume – erzeugt mit DALL·E.

Die große Leerstelle der Wohnpolitik. Warum die KfW-Förderung scheitert, wenn Banken kneifen – und was das über unser Verständnis von Verantwortung verrät.

Der Charme des Alten – und die trügerische Hoffnung auf Förderwunder

Es ist ein wohlklingendes Versprechen, das da von den Webseiten der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) schimmert: Junge Menschen, Familien, all jene, die nicht vom Glück des Immobilienerbes profitieren, sollen alte Häuser retten, umbauen, energetisch ertüchtigen – und dafür staatlich gefördert werden. Ein kluger Gedanke, denn wer könnte etwas dagegen haben, wenn bestehende Bausubstanz genutzt, energetisch modernisiert und mit neuem Leben gefüllt wird? Die Realität aber zeigt: Der Gedanke ist klüger als seine Umsetzung.

Denn zwischen Förderkatalog und Fundament klaffen tiefe Risse. Viele der angeblich niedrig verzinsten Kredite werden nicht abgerufen. Nicht etwa, weil das Interesse fehlt – im Gegenteil. Es sind oft die Banken, die blockieren. Hausbesitzer in spe berichten von gescheiterten Finanzierungsplänen, von Förderzusagen ohne praktischen Zugang, von Abläufen, die auf den ersten Blick wie eine Geste der Hilfe wirken, bei genauerem Hinsehen jedoch einem Labyrinth gleichen, das man nur mit Glück und juristischer Begleitung durchquert.

Die stille Ablehnung der Banken – und die laute Sprache des Profits

Was hier im Hintergrund wirkt, ist kein Verwaltungsversagen, sondern Marktlogik. Viele Geschäftsbanken scheuen den Aufwand, der mit KfW-Förderungen einhergeht. Die Antragswege sind komplex, die Auszahlungen häufig zweckgebunden, das Risiko aus Sicht der Banken schwer kalkulierbar. Und vor allem: Mit klassischen Konsumkrediten, mit Baufinanzierungen ohne Förderanbindung, lässt sich schlicht mehr verdienen. Also rät man den Kunden, still und höflich, von der Förderidee ab – oder versagt schlicht die Mitwirkung, ohne dass es juristisch angreifbar wäre.

Was daraus entsteht, ist eine strukturelle Sabotage: Ein System, das vordergründig fördert, tatsächlich aber von der Mitwirkung jener Institutionen abhängig ist, die sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung systematisch entziehen. Die Banken tragen nicht nur das Kapital, sie tragen auch eine ethische Last. Denn sie sitzen an der Schnittstelle zwischen politischer Idee und praktischer Umsetzung. Wer dort blockiert, blockiert nicht nur Kredite – er blockiert auch Lebensentwürfe.

Dabei wäre es ein Leichtes, dem Gedanken der Förderung gerecht zu werden: transparente Verfahren, klare Anreize, eine echte Partnerschaft zwischen Staat und Finanzwirtschaft. Doch das setzt voraus, dass Banken nicht nur Profiteure, sondern auch Mitgestalter sind. Dass sie anerkennen, dass Wohnen kein Luxus ist, sondern Daseinsvorsorge – und dass ihre Rolle in diesem Spiel über Gewinnmargen hinausreicht. Dass sie mitgestalten könnten, statt abzuwarten, bis der Markt den Rest erledigt.

Zwischen Verantwortung und Rückzug – ein Symptom unserer Zeit

Diese Zurückhaltung ist kein Einzelfall. Sie ist Ausdruck einer Haltung, die Verantwortung in den Händen anderer sehen will. Politik liefert Konzepte, Bürger bringen Motivation und Bereitschaft mit – doch das entscheidende Nadelöhr, die Bank, öffnet sich nicht. Und so entstehen an den Rändern der Städte Ruinen, während junge Familien resigniert Mietverträge unterschreiben, die sie kaum bezahlen können. So wird ein Traum zur Farce – und ein Fördersystem zur statistischen Illusion.

Wer heute über Wohnpolitik spricht, muss die Sprache der Systeme lernen. Es reicht nicht, über Quadratmeterpreise zu klagen oder Gentrifizierung zu beklagen. Es geht um die unsichtbaren Mechanismen, um die feinen Brüche im Getriebe: die Ablehnung von Krediten, die sich nicht lohnen; die Beratungen, die eher entmutigen als begleiten; das Schweigen der Banken, wenn die Verantwortung ruft. Diese Mechanismen sind nicht laut – aber sie sind wirksam. Und sie machen die Kluft zwischen Wohnidee und Wohnrealität größer als jede Mauer aus Stein.

Dass eine Gesellschaft, die sich Fortschritt auf die Fahnen schreibt, unfähig ist, jungen Menschen beim Einstieg ins Wohneigentum beizustehen, ohne sie in Abhängigkeit oder Dauerfrust zu treiben, ist nicht nur eine politische, sondern eine moralische Bankrotterklärung. Und sie zeigt sich nicht in Parlamentsreden – sondern in den leeren Fluren alter Häuser, die keiner kaufen darf, weil keiner mitfinanzieren will.

Die KfW bietet verschiedene Programme zur Förderung von Altbausanierungen, darunter den Kredit 261 (für energieeffizientes Sanieren) und den Kredit 124 (Wohneigentumsprogramm). Trotz attraktiver Konditionen werden viele Förderkredite nicht genutzt – laut einer Untersuchung des IW Köln scheitern über 40 % der Anträge am Widerstand oder der Untätigkeit der begleitenden Hausbanken. Häufige Gründe: zu hoher Verwaltungsaufwand, geringes Eigeninteresse der Banken, fehlende Bereitschaft zur Risikobewertung. Damit scheitert die Förderung oft nicht am Bürger – sondern am System.

Quellen-Nachweis
– Institut der deutschen Wirtschaft Köln: Studie zur Wohnbauförderung, 2022
– Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen: KfW-Förderprogramme im Überblick, 2024
– Verbraucherzentrale NRW: Probleme bei der KfW-Finanzierung – wenn die Bank nicht will, 2023
– Zeit Online: Förderung für Altbauten: Eine Illusion?, April 2024

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