Es gibt Sätze, die treffen nicht ins Herz, sondern in jene weiche Schicht zwischen Erinnerung und Gegenwart, wo Ironie zur Wahrheit wird. „Hast du noch Sex, oder spielst du schon Golf?“ ist so ein Satz. Ein Spott, der bleibt – wie eine zu eng gewordene Jacke, die beim Lachen zwickt. Er klingt nach Lebenslüge, nach Wechseljahren mit Polohemd. Und er trifft, weil er fragt: Was ist übrig geblieben vom Feuer, wenn nur noch gepflegte Glut über den Fairway kriecht?
Dabei geht es nicht um Verzicht. Golf ist kein Trauerspiel der Körperlosen. Es ist eine neue Grammatik der Bewegung. Wer spielt, sucht nicht das Abenteuer, sondern das Gleichmaß. Nicht die Ekstase, sondern das Eintauchen. Golf ist die Choreografie des Wiederholten, ein meditativer Marsch über gemähtes Gelände. Ein Spiel, das schon gesund ist, bevor der erste Ball fliegt. Achtzehn Löcher, zehn Kilometer. Über hundert Muskeln werden aktiviert – fast alle, von der Fußwurzel bis zur Schulter. Nur drei verweigern angeblich den Dienst – welche, weiß keiner, aber man vermisst sie nicht. Vielleicht sind es die, mit denen man früher Begeisterung simulierte.
Zwischen Fairway und Philosophie
Golf galt lange als Spiel der Reichen, der Erschöpften, der Stillen. Ein Sport für Menschen, die nicht mehr rennen müssen, weil sie angekommen sind – irgendwo zwischen Status und Stille. Doch das Bild bekommt Risse. Durch diese Risse fällt Licht, fällt Gegenwart. Heute spielen Menschen, die nicht dazugehören wollen, sondern dazugehören dürfen. Studentinnen, Handwerker, ITler, Menschen mit Rücken, mit Vorfreude, mit Zeit. Die Kosten? Beherrschbar. Nutzerclubs, Fernmitgliedschaften, Monatsbeiträge. Golf ist kein Goldstandard mehr. Es ist Bewegung im besten Sinne.
Natürlich gibt es sie noch, die Clubs mit Dreiviertelhosen-Zwang und glaspolierten Parkplätzen. Als wären sie aus einem Katalog für Lebensformen, die sich selbst konservieren. Und wer einmal spüren möchte, wie sich das anfühlt – diese übertriebene Etikette, das stumme Ansprechen des Balls, die kultivierte Verwirrung über einen Slice ins Gebüsch –, der sollte, sobald die Platzreife in der Tasche steckt, eine Runde auf einem dieser englischen Nobelplätze wagen. Dort, wo Spiritualität das Regelwerk durchtränkt und selbst das Ansprechen des Balls – jener Moment unmittelbar nach dem Schwung – zur Zeremonie erhoben wird. Eine stille Übereinkunft zwischen Spieler und Objekt, bevor der Körper sich in Bewegung setzt. Man fühlt sich nicht als Spieler, sondern als Teilnehmer einer Zwischenwelt. Einer jener Seitenwesen, die zwischen Teekanne und Tradition schweben, ernsthaft, versponnen und tief in der Geschichte ihrer Bewegungen verankert. Aber auf den Plätzen selbst hat sich etwas verschoben. Die Höflichkeit ist zurückgekehrt – nicht als steifes Regelwerk, sondern als Achtung vor Raum und Zeit. Man wartet wieder. Man grüßt. Man steht nicht im Weg und ist doch da. Als hätte der Platz einen Ton, der draußen längst verloren gegangen ist.
Der erste Schlag ist der schwerste
Golf ist auch ein soziales Spiel. Wer an einem Turnier teilnimmt, wird meist nicht allein losgeschickt, sondern einem Flight zugeteilt – einer kleinen Spielgruppe, in der vier Menschen denselben Kurs, aber nicht zwingend dieselbe Geschichte spielen. Man lernt sich kennen, schweigt miteinander, lacht vielleicht sogar. Man teilt Wetter, Witz und Weg. Aus flüchtigen Begegnungen werden gelegentlich Bekanntschaften, manchmal auch Verbindungen, die über den Platz hinausreichen. Zwischen Grün und Gespräch liegt die Möglichkeit, sich selbst neu zu erleben – im Spiegel der anderen. Vielleicht ist es das, was Golf dann doch auch mit dem Leben verbindet: Es bringt Menschen zusammen, ohne sie zu bedrängen. Und wer zuhört, gewinnt – nicht nur Punkte, sondern Perspektiven.
Und dennoch: Wer beginnt, tut sich schwer. Sehr schwer. Golf hat keine Willkommensmatte. Es hat Regeln. Es hat Eigensinn. Es hat diese stille Prüfung, bei der der Körper plötzlich nicht mehr spurt. Die ersten Bälle fliegen nicht, sie rollen – beleidigt. Die ersten Schwünge sind keine Bögen, sondern Ausfallschritte mit Stock. Und wenn man dann jemanden trifft, der sich für einen Golf-Weisen hält, erlebt man die dunkle Seite des Spiels: Autodidakten mit Ego, die exzellent spielen, aber pädagogisch so begabt sind wie ein Kühlschrank beim Tango. Sie erklären nichts, aber wissen alles. Sie helfen nicht, sie korrigieren. Und man selbst? Man geht. Oder man bleibt – und beginnt zu lernen, was es heißt, geduldig mit sich zu sein.
Golf ist ein Geschäft – und eine Umweltfrage
Golf ist mehr als ein Spiel. Es ist eine Branche, ein Geschäft, eine Oberfläche mit System. Auch wenn das Gehen durch frische Luft dem Körper gut tut – die Plätze selbst stehen nicht außerhalb der Welt. Ein Golfplatz ist kein Naturgebiet, sondern eine kuratierte Landschaft, die Wasser braucht, Fläche versiegelt und der heimischen Flora wenig Raum lässt. In Zeiten der Klimaerwärmung, des Wassermangels und der Bodenversiegelung ist das kein kleiner Gedanke. Die Idylle hat ihren Preis – selbst wenn sie gepflegt daherkommt.
Und doch: Der Unterschied zur stickigen Muckibude bleibt. Wer draußen geht, statt drinnen zu pumpen, atmet bewusster. Und wer auf dem Green steht, statt auf dem Laufband, hat immerhin Wind im Gesicht. Inzwischen gibt es auch hier Alternativen – digitale Welten, virtuelle Simulatoren, Hallen mit Projektor statt Panorama. Aber der Wind fehlt, der Regen, das kalte Nebelgrau unter Umständen – all das, was draußen geschieht, wenn man eben nicht nur spielt, sondern Teil der Landschaft wird. Golf bleibt ein Geschäft, ja. Aber es ist auch ein Sehnsuchtsraum. Zwischen Greenfee und Gras liegt manchmal ein Moment echter Gegenwart.
Es gibt sie auch – die unvergesslichen Momente. Stimmungen, die sich nicht planen lassen. Gefühle, die entstehen, wenn der Sonnenuntergang den Platz in warmes Licht taucht, wie auf unserem Bild. Oder wenn ein Schlag gelingt, der nicht nur trifft, sondern berührt. Es sind diese Augenblicke, die einen in eine Euphorie treiben können – oder in eine stille, fast meditative Freude. Ob allein auf weiter Flur oder in einer Gruppe, in einem Flight, im Wettkampf oder im Training: Golf hinterlässt Spuren. Nicht nur im Rasen, sondern im Gefühl. Es bleibt – wenn man es zulässt – ein Lebensgefühl.
Vom Spiel zur Selbsterkenntnis
Vielleicht liegt genau darin die Pointe: Golf ist kein Ersatz. Es ist Erinnerung, Umdeutung, ein Tanz der Kräfte, die sich nicht mehr messen müssen. Wer den Ball trifft, spürt Kontrolle. Wer ihn nicht trifft, spürt sich. Golf erlaubt das Scheitern – leise, freundlich, mit einer Geste, die sagt: Versuch’s nochmal. Kein Kommentator, keine Kamera. Nur du und das Geräusch von Gras unter Schuhen.
Golf, dieses vermeintlich langweilige Spiel mit seinem fast verdächtigen Jubel in Moll, ist in Wahrheit eine Schule der Gegenwart. Es verlangt Haltung, nicht Schnelligkeit. Es erlaubt Fehler, aber keine Hast. Es kennt Druck, aber keinen Lärm. Und vielleicht ist es gerade deshalb mehr als ein Spiel – es ist ein vorsichtiger Dialog mit dem, was wir einmal wollten und heute brauchen. Ein Gespräch, das nicht fragt: Hast du noch Sex? Sondern: Hörst du dich eigentlich noch atmen?
ⓘ Golf als Gesundheitsformel: Eine Runde über 18 Löcher bedeutet bis zu 10 Kilometer Gehen – ohne Zwang, aber mit Wirkung. Der Golfschwung aktiviert nahezu den gesamten Körper: über 120 Muskeln, insbesondere Rücken, Rumpf, Beine und Schultern. Dabei sinkt der Blutdruck, das Herz arbeitet rhythmischer, Stresshormone werden abgebaut. Golf ist keine Raserei – es ist ein Spaziergang mit Sinn.
Quellen-Nachweis – Deutscher Golf Verband (DGV): www.golf.de
– Walker, D. et al., 2011: „Health benefits of golf“ – British Journal of Sports Medicine
– Reuter, M., 2021: „Golf wirkt wie Medizin“, Apotheken Umschau
– Golf Post: Fakten zur Muskelaktivierung beim Schwung (2023)
– Vivantee Golf: „Muscles Used in Golf Swing – Complete Guide“, www.vivanteegolf.com
– Titleist Performance Institute (TPI): „Key Muscles in the Golf Swing“, www.mytpi.com
Hinweis: Beim Golfschwung werden nahezu alle Hauptmuskelgruppen aktiviert – von den Fußsohlen bis zur Nackenmuskulatur. Bauchmuskeln, Schultern, Rücken, Beine und Unterarme arbeiten im komplexen Zusammenspiel. Die humorvolle Behauptung, „nur drei Muskeln machen nicht mit“, unterstreicht die Ganzkörperbeanspruchung augenzwinkernd – sachlich korrekt wäre: „Kaum ein Muskel bleibt unbeteiligt.“