Schnell noch die WhatsApp beantworten – und schon sind 100 Euro fällig, dazu ein Punkt in Flensburg. Doch wann verschwindet dieser Punkt wieder? Und was hat es mit der Überliegefrist auf sich? Was wie ein kleiner Verstoß wirkt, kann schnell zum Verhängnis werden – besonders, wenn man auf Jobsuche ist und einen Auszug aus dem Fahreignungsregister vorlegen muss.
Es geschieht in einer Selbstverständlichkeit, die beinahe trügerisch wirkt, als wäre sie das Ergebnis jahrelanger unbewusster Übung: Das Geräusch eines eingehenden Signals, kaum mehr als ein leises Piepen, reicht aus, um den Kopf in Richtung des Handys zu wenden, die Hand wie von selbst danach greifen zu lassen, während die Augen noch immer auf die Straße gerichtet sein sollten; und doch weiß jeder, der schon einmal in dieser Situation war, dass dieser Griff nicht gut ist, dass er Gefahren in sich birgt, die in Bruchteilen von Sekunden das Leben verändern können, nicht nur das eigene, sondern auch das derer, die zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort sind, denn die Statistik kennt keine Ausnahmen und die Unfallberichte sind voll von diesen Momenten, in denen ein kurzer Blick, eine schnelle Antwort oder gar das Bedürfnis, nicht unhöflich zu erscheinen, zu Kollisionen geführt haben, deren Konsequenzen über Blechschäden hinausreichen.
Zwischen Recht und Realität
Die Szene, wie sie sich auf den Straßen abspielt, wirkt fast filmisch: Ein Fahrzeug mit einer Laufschrift, die unmissverständlich „Polizei – bitte folgen“ signalisiert, schiebt sich in den Rückspiegel, und aus einem beiläufigen Reflex wird plötzlich ein amtlicher Vorgang, der nun in nüchterner Sprache einen „Verstoß“ nennt, was im Alltag vielleicht als harmlose Gewohnheit empfunden wird. Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen dem Smartphone und dem Diktiergerät, es kennt keine Vermutungen, es arbeitet mit Feststellungen, und so hilft es nichts, zu erklären, man habe lediglich eine Notiz gesprochen, wie man es einst mit den kleinen, mechanisch klickenden Geräten tat, die später die Sekretärin abtippte. Diese rechtliche Gleichstellung mag in den Augen mancher überzogen wirken, doch sie folgt einer einfachen Logik: Die Hände gehören ans Steuer, die Aufmerksamkeit auf die Straße, und alles, was davon ablenkt, birgt ein Risiko, das die Rechtsprechung seit Jahren durch klare Sanktionen einzudämmen versucht.
Die bleibenden Spuren eines Augenblicks
Wer den Griff zum Gerät während der Fahrt mit dem Satz „Das war doch nur kurz“ abtut, unterschätzt nicht nur die Gefahren, sondern auch die Reichweite der Konsequenzen, die aus diesem kurzen Moment entstehen können. Hundert Euro Bußgeld mögen für manche eine lästige, aber verschmerzbare Ausgabe sein, doch der Punkt im Fahreignungsregister bleibt zweieinhalb Jahre bestehen, begleitet von einer Überliegefrist von zwölf Monaten, die im System nicht als reine Verwaltungskosmetik existiert, sondern im Ernstfall die Dauer der Eintragung verlängert. Für jene, die beruflich auf ein einwandfreies Register angewiesen sind – ob als Berufskraftfahrer, Pilot oder Bewerber in sicherheitssensiblen Bereichen – kann dieser Punkt eine unsichtbare Barriere werden, die Bewerbungsgespräche beendet, bevor sie beginnen, und Karrieren ausbremst, bevor sie Fahrt aufgenommen haben. Dass diese Konsequenzen nicht nur den notorischen Vieltelefonierer, sondern auch den Gelegenheitsnutzer treffen, ist Teil des Konzepts: Abschreckung durch Gleichbehandlung, auch wenn der Einzelfall weniger dramatisch wirkt, als es die Paragrafen vermuten lassen.
Und was genau ist die Überliegefrist?
Die sogenannte Überliegefrist, ein administratives Konstrukt, das mit zwölf Monaten bemessen ist, wirkt auf den ersten Blick wie ein technisches Detail, tatsächlich aber verlängert sie die spürbare Präsenz eines Punkteeintrags weit über die gesetzlich festgelegten zweieinhalb Jahre hinaus. Ursprünglich eingeführt, um Behörden einen zeitlichen Puffer für die Bearbeitung von Mehrfachtätern zu geben und so sicherzustellen, dass Verstöße, die kurz vor Ablauf der Tilgungsfrist begangen werden, noch Berücksichtigung finden, verwandelt sich diese Regel im Alltag zu einer Art schleichender Strafe, die dem Betroffenen oft nicht transparent ist. Denn wer glaubt, nach zweieinhalb Jahren wieder unbelastet zu sein, erfährt im Ernstfall, dass der Punkt noch immer im System „überliegt“, bereit, im Zusammenspiel mit einem neuen Verstoß erneut Relevanz zu entfalten. In der Praxis ist das mehr als nur Verwaltungslogik – es ist ein Mechanismus, der sich zwischen Prävention und Gängelung bewegt, weil er das Gefühl vermittelt, dass der Preis für einen kurzen Fehler nicht nur hoch, sondern auch ungewöhnlich lang zu zahlen ist.
Ein gesellschaftlicher Automatismus
Es lohnt sich, den Blick auf die Wurzeln dieses Problems zu richten, denn es ist nicht allein das Handy, das uns lenkt, sondern die Art und Weise, wie wir Kommunikation inzwischen wahrnehmen. Eine Nachricht, die unbeantwortet bleibt, erzeugt bei vielen fast körperlichen Stress; das „Gesehen“-Symbol, das in Messenger-Apps diskret, aber unmissverständlich signalisiert, dass man etwas zur Kenntnis genommen hat, wird zum stillen Druckmittel. Die Idee, sich Zeit zu lassen, ist aus dem digitalen Alltag verschwunden, und so schleicht sich der Reflex ein, sofort zu reagieren – im Büro, in der Bahn und eben auch am Steuer. Diese permanente Erreichbarkeit ist nicht nur ein technisches, sondern vor allem ein kulturelles Phänomen, das im Straßenverkehr zur Gefahr wird, weil wir den Unterschied zwischen wichtig und dringend verlernt haben. In diesem Sinne ist der Griff zum Handy nicht nur ein individueller Regelverstoß, sondern ein Spiegel einer Gesellschaft, die den Augenblick über die Sicherheit stellt.
ⓘ Die Nutzung eines elektronischen Geräts am Steuer, auch im Stand bei laufendem Motor, ist nach § 23 Abs. 1a StVO verboten. Der Verstoß kostet 100 Euro und bringt einen Punkt in Flensburg. Die Eintragung bleibt zweieinhalb Jahre im Fahreignungsregister, zusätzlich gilt eine Überliegefrist von zwölf Monaten.
Quellen-Nachweis
Bundesanstalt für Straßenwesen, Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) § 23 Abs. 1a, Kraftfahrt-Bundesamt, Statistisches Bundesamt – Unfallursachenbericht 2024