Home SatireRatgeberDie 7 Worte, die du kennen musst, um klug zu wirken

Die 7 Worte, die du kennen musst, um klug zu wirken

von Thomas Wendtland
Junger Mann mit blonden Haaren und Brille zeigt ironisch auf ein Schild mit dem Wort „Narrativ“, vor einem Bücherregal.

Nummer 4 klingt wie ein Darmbakterium

Es gibt Worte, die sagen mehr über den Sprecher als über das, was er sagen will. Worte, die sich wie Abzeichen tragen lassen, wie ein schräg sitzender Doktortitel in der Kommentarspalte. Wer sie kennt, wirkt nicht automatisch klüger – aber er wird seltener widersprochen. Weil alle hoffen, dass er bald aufhört zu reden.

Die Bedeutung dieser Worte zu kennen, macht dich nicht automatisch zum Professor oder zum Doktor. Aber – und hier kommt der tiefere Sinn – sie geben dir die Möglichkeit, mitzureden. Genau das haben viele erkannt, die sonst kaum etwas Sinnvolles ausdrücken können, aber dennoch regelmäßig im Licht stehen. Zu viele Idioten bedienen sich dieser Worte wie einer Rüstung: klangvoll, abwehrbereit, aber inhaltlich leer. Hier ist unser kleiner, liebevoller Wegweiser, wie man diese Ausdrücke entlarvt – und im besten Fall verwandelt: in pures Wissen. Mehr braucht man eigentlich nicht, um mitreden zu können.

Hier also die sieben zuverlässigsten Signalworte der Gegenwart – mit denen du jederzeit auf LinkedIn, in Redaktionskonferenzen oder beim halb verbrannten Gemüsegrillabend beeindrucken kannst. Ein kleiner Wegweiser durch die rhetorische Hölle mit Bildungsanstrich.

Diskurs

Das Schweizer Taschenmesser der Besserwisser. Man kann zu allem einen Diskurs führen, und wenn’s nur über den richtigen Zeitpunkt ist, den Müll hinauszubringen. Diskurs klingt immer nach Tiefe, meint aber oft nur: „Ich habe auch eine Meinung, aber ich tarne sie als Struktur.“ Wer „Diskurs“ sagt, hat selten einen begonnen – aber oft einen beendet. Meist mit sich selbst.

Narrativ

Vor dem Jahr 2010 war „Narrativ“ ein Fachwort aus der Literaturwissenschaft. Heute ist es die Universalentschuldigung für alles, was einem nicht passt. Impfgegner haben ein anderes Narrativ, Politiker bedienen eins, Influencer leben darin. Es bedeutet: „Ich kann es nicht widerlegen, aber ich kann es sprachlich dekonstruieren.“
Klingt besser als „Geschichte“. Und schlimmer als „Lüge“. In der Mitte liegt das Narrativ.

Resilienz

Früher sagte man „durchhalten“ oder „sich nicht unterkriegen lassen“. Heute ist es Resilienz. Ein Begriff, der klingt wie eine Mischung aus Medikament und Lebensstil. Wer resilient ist, hat nicht einfach eine harte Zeit überstanden – er hat sie bewusst in ein Coaching umgewandelt.
Bonus-Tipp: Wer „Resilienz“ mit „transformativ“ kombiniert, gewinnt automatisch jede Keynote.

Mikrobiom

Ein echter Stimmungskiller auf Partys, aber ein Goldgriff in Gesundheitsartikeln. Mikrobiom klingt wie ein Darmbakterium – und ist es auch. Genauer gesagt: eine ganze Siedlung davon. Früher war der Bauch einfach nur empfindlich. Heute ist er ein sprechendes Organ mit Kommunikationskompetenz. Wer sein Mikrobiom pflegt, ist kein Hypochonder, sondern ein mikrobiologisch achtsamer Mensch mit Fermentationsambitionen.
Tipp: Kombiniert mit „Darm-Hirn-Achse“ erreichst du sogar Menschen, die vorher nicht mal wussten, dass sie einen Dickdarm haben.

Empowerment

Empowerment ist das neue „Ich mach mein Ding“ – nur mit Subventionsantrag. Man stärkt sich gegenseitig, schreibt dazu auf Instagram „Du bist genug“ und meint: „Ich weiß auch nicht, was ich tue, aber es klingt, als wüsste ich es.“
Empowerment ist das Pfefferminzöl unter den Begriffen: wirkt kurz, riecht frisch, hilft aber selten bei echten Schmerzen.

Deep Dive

Ein normaler Mensch sagt: „Ich habe mich näher damit beschäftigt.“ Der neue Mensch sagt: „Ich habe einen Deep Dive gemacht.“ Das klingt nach Tiefe, meint aber oft nur: Drei Wikipedia-Artikel und ein YouTube-Video.
Der Deep Dive ist die stilisierte Behauptung, dass man nicht nur an der Oberfläche schwimmt – obwohl genau das der Fall ist. Es ist wie der Ausdruck „ich war ganz bei mir“ – da weiß man auch nie, ob das jetzt ein Zustand der Klarheit oder ein nervlicher Zusammenbruch war.

Ambiguitätstoleranz

Wer dieses Wort benutzt, will keinen Streit – er will, dass du dich dumm fühlst. Ambiguitätstoleranz bedeutet, Widersprüche auszuhalten. Was eigentlich eine Tugend ist, wurde zum Kampfbegriff derer, die sich über andere stellen wollen, ohne dafür Verantwortung zu übernehmen.
„Ich bin ambiguitätstolerant“ klingt wie: „Ich verstehe dich, auch wenn du es nicht tust.“
Es ist ein intellektuelles Alibi für alle, die sich in ihrer moralischen Grauzone eingerichtet haben – mit Yogamatte und ökologischer LED-Beleuchtung.

Wer nichts zu sagen hat, sagt es mit Stil

Diese Worte sind wie Einstecktücher: Sie erfüllen keinen Zweck, aber sie zeigen, dass man sich Mühe gegeben hat. Sie sollen Eindruck machen, nicht Eindruck hinterlassen.
Man benutzt sie, wenn man beeindrucken will, ohne angegriffen zu werden.
Weil jeder weiß: Wer „Narrativ“ sagt, hat schon gewonnen. Nicht, weil er recht hat – sondern weil niemand mehr nachfragt.

Aber: Wenn alle nur noch so reden, versteht am Ende keiner mehr, worum es eigentlich ging.

Vielleicht ist es also an der Zeit, weniger klug zu klingen – und mehr klug zu sein.
Weniger Buzzword, mehr Bedeutung. Weniger Mikrobiom, mehr Bauchgefühl.

Und manchmal reicht auch einfach ein Satz wie:
„Ich weiß es nicht – aber ich denke darüber nach.“

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Wenn die Welt wieder nur a sagt und pfeift, greifen wir zur letzten Maßnahme: einem Ratgeber. Nicht weil wir’s besser wissen – sondern weil uns sonst der Kopf platzt. Wir denken, dass ein wenig Ironie nicht schaden kann.

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