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Die Stromsteuer – ein Denkmal für die Gier?

von Carsten Bornhöft
Nahaufnahme eines analogen Stromzählers mit mechanischen Ziffernrollen, die den aktuellen Stromverbrauch anzeigen.

Es ist ein Satz wie aus dem Gruselkabinett: „Union und SPD haben sich darauf geeinigt, dass sie sich nicht einigen.“ Ein politisches Koan, ein Rätsel, das in seiner absurden Schönheit nur übertroffen wird von den Preisansagen in deutschen Stromrechnungen.

Denn während die Koalition sich in ihrer Einigkeit über Uneinigkeit sonnt, dreht sich der Stromzähler in deutschen Haushalten erbarmungslos weiter. Mit jeder Kilowattstunde treibt er nicht nur den Strompreis, sondern auch die Stromsteuer in die Höhe – jene Abgabe, die im Jahr 1999 im Rahmen des sogenannten Ökologischen Steuerreformgesetzes eingeführt wurde.

Damals, unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und mit dem grünen Umweltminister Jürgen Trittin, entstand die Idee einer ökologischen Steuerreform, die Stromverbrauch belasten und fossile Energieträger verteuern sollte, um den Klimaschutz voranzutreiben. Bundestag und Bundesrat stimmten 1999 mehrheitlich dafür, getragen von der rot-grünen Regierungskoalition. Das Argument lautete: „Wer weniger Strom verbraucht, schützt die Umwelt — und entlastet gleichzeitig die Sozialsysteme durch sinkende Rentenbeiträge.“

Der Gedanke war bestechend klar: fossile Energieträger verteuern, erneuerbare Energien fördern, den Stromverbrauch insgesamt senken — ein staatlicher Lenkungseffekt im Dienste der Umwelt.

Schöne Worte, gewiss. Doch heute wirkt die Stromsteuer wie eine letzte, gierige Hand im Portemonnaie der Verbraucher – eine Steuer, die nicht unterscheidet, ob jemand Ökostrom bezieht oder noch immer Braunkohle verheizt. Eine Steuer, die längst nur noch kassiert, was zu kassieren ist.

Man könnte lachen, wenn es nicht so traurig wäre.

Denn genau hier liegt das soziale Drama begraben: Wer ein Eigenheim hat, mit Solarmodulen bestückt, kann sich noch halbwegs gegen die Preispeitsche wehren. Rentner in Altbauten, Alleinerziehende in Mietwohnungen, prekär Beschäftigte, sie alle aber zahlen weiter – auch für das Versagen einer Politik, die in den letzten 20 Jahren ihre soziale Verantwortung Stück für Stück an gewinnorientierte Energiegesellschaften verkauft hat.

Die Kommunen – Vom Kümmerer zum Kapitalverwerter

Wo früher die Stadtwerke saßen, mit teils schnarchiger Bürokratie, aber einem sozialen Gewissen, da stehen heute gewinnmaximierende Kapitalgesellschaften, die aus den Versorgungsnetzen einen Renditeapparat gezimmert haben.

Einst sollten sie die Bürger schützen. Heute schützen sie ihre Aktionäre. Die Bürgermeister, die dereinst das Tafelsilber der öffentlichen Energieversorgung verhökerten, weil ihnen die Haushaltskassen klamm erschienen, verkauften nicht nur Strommasten und Kabel – sie verkauften auch einen Teil ihrer Verantwortung gegenüber dem Bürger einer Stadt. Denn nun zahlen die Menschen an Unternehmen, die weder kommunal noch bürgernah denken, sondern schlicht im Shareholder-Modus funktionieren.

Wenn Rentner ihre Stromrechnung nicht mehr begleichen können, interessiert das niemanden. Härtefallregelungen? Sozialtarife? Ach, bitte — Dividenden sind wichtiger.

Populisten freuen sich schon

Es ist ein perfekter Nährboden für das, was wir so gerne Empörungspolitik nennen: Die Stromsteuer, die trotz aller grünen Hymnen weiter auf jede Kilowattstunde erhoben wird. Die Strompreise, die von halbstaatlichen Kapitalgesellschaften gnadenlos durchgezogen werden. Die Mieter, die keine Solaranlage aufs Dach schrauben können und sich ausgeliefert fühlen.

So wächst die Wut, die Ratlosigkeit, das Gefühl, machtlos zu sein. Ein Gefühl, das Parteien am rechten Rand längst in Parolen gegossen haben: „Seht ihr, die da oben kassieren ab, und ihr sollt blechen!“

Ja, so einfach ist es und so gefährlich ist es.

Vielleicht ist es Zeit, den Mut aufzubringen, die Stromsteuer nicht länger wie eine Monstranz vor sich herzutragen, sondern sie nach Vernunft und Fairness zu gestalten.

Vielleicht ist es Zeit, dass Kommunen, die längst ihre Stadtwerke in GmbHs und AGs verpackt haben, ihre Geschäftsbedingungen so überarbeiten, dass soziale Härten für Benachteiligte abgebaut werden — anstatt sie stillschweigend hinzunehmen.

Vielleicht wäre es dann auch möglich, dass Bund und Länder ihre Gesetzgebung endlich so anpassen, dass Energiepolitik nicht nur effizient, sondern auch gerecht wirkt. Eine Politik, die die Gesellschaft zusammenhält, statt sie über Strompreise zu spalten.

Vielleicht ist es Zeit, Stadtwerke wieder als Schutzschild der Bürger zu sehen, nicht als Geldautomaten für Renditejäger.

Vielleicht ist es auch Zeit, Kommunalpolitiker daran zu erinnern, dass soziale Verantwortung nicht im Wahlkampf geboren wird, sondern im Alltag beweisen muss, was sie wert ist.

Am Ende bleibt sonst nur eine Gesellschaft, die ihre Ohnmacht zähneknirschend hinnimmt, während der Stromzähler unbarmherzig weitertickt — und niemand mehr weiß, wer für wen eigentlich noch Verantwortung trägt.

ⓘ Die Stromsteuer wurde 1999 im Rahmen des Ökologischen Steuerreformgesetzes von der rot-grünen Bundesregierung beschlossen. Sie sollte fossile Energien verteuern und den Umstieg auf erneuerbare Quellen fördern. Heute belastet sie alle Stromkunden unabhängig vom Herkunftsmix und trifft besonders Menschen mit geringem Einkommen.

Quellen-Nachweis
Bundesfinanzministerium bmf.de/energiesteuer, Bundesnetzagentur bundesnetzagentur.de, Deutscher Bundestag Drucksache 14/40

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