Am 6. Mai 2025 trat Friedrich Merz im Deutschen Bundestag zur Wahl als Bundeskanzler an. Die rechnerische Mehrheit war vorhanden: CDU/CSU und SPD bilden gemeinsam eine Koalition mit 328 Sitzen – genug, um die notwendige absolute Mehrheit von 316 Stimmen zu sichern.
Doch das Ergebnis des ersten Wahlgangs fiel anders aus: Nur 310 Abgeordnete stimmten mit „Ja“. Sechs Stimmen fehlten. Die Kanzlerwahl scheiterte.
Die Abstimmung war geheim, wie es Artikel 63 des Grundgesetzes vorsieht. Wer wie gestimmt hat, bleibt offiziell unklar. Inoffiziell spricht man von Abweichlern in beiden Fraktionen. Nach neuesten Informationen haben fünf Abgeordnete aus den eigenen Reihen mit „Nein“ gestimmt. Diese Stimmen reichen aus, um die rechnerische Mehrheit zu kippen – ein klares Signal in Richtung Parteiführung und Kanzlerkandidat. Für die Sozialdemokratie ist dieses Ergebnis nicht nur ein taktischer Rückschlag, sondern auch eine inhaltliche Stellungnahme: Die Zustimmung zur Koalition ist nicht uneingeschränkt.
Die Bundestagssitzung wurde unterbrochen. Die Fraktionen zogen sich zur internen Beratung zurück. Eine Regierung, die noch nicht im Amt ist, hat damit bereits ihre erste Krise.
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hatte die Sitzung am Morgen eröffnet. Die Wahl verlief ordnungsgemäß, Beobachter sprachen von hoher Disziplin im Ablauf, aber von spürbarer Nervosität auf den Bänken. Auch Altkanzlerin Angela Merkel war unter den Gästen – stumm, aber präsent. Die Bedeutung des Moments war allen Beteiligten klar: Ein Scheitern im ersten Wahlgang ist selten, aber nicht ohne Präzedenz.
Das Verfahren und seine Konsequenzen
Die Wahl eines Bundeskanzlers unterliegt klaren Regeln: Innerhalb von 14 Tagen kann der Bundestag erneut abstimmen. Im zweiten Wahlgang bleibt die absolute Mehrheit erforderlich. Sollte auch dieser scheitern, folgt ein dritter Wahlgang, bei dem eine einfache Mehrheit ausreicht. Dann entscheidet der Bundespräsident, ob der Gewählte ernannt wird oder der Bundestag aufgelöst wird.
Friedrich Merz hat bereits angekündigt, im zweiten Wahlgang erneut anzutreten. Die CDU/CSU-Fraktion sichert ihm ihre Unterstützung zu, ebenso die SPD-Spitze. Dennoch ist die Enttäuschung groß. Die knappe Mehrheit hätte halten müssen. Dass sie es nicht tat, wirft Fragen auf: über die Stabilität der Koalition, über die Geschlossenheit der Fraktionen, über die Akzeptanz von Merz selbst. Für viele gilt er nun als angeschlagen – angezählt von den eigenen Reihen, mit einem beschädigten Anspruch auf Führung.
Auch an seiner Glaubwürdigkeit wird gezweifelt. Die Versuche, Stärke zu demonstrieren, wirken auf manche eher wie politische Fassade als inhaltliche Substanz. Währenddessen zeigte sich die AfD am Tag der Wahl auffallend gelöst, fast heiter. Beobachter berichten von „locker aufgekratzter Stimmung“ auf den blauen Bänken. Ein Symbol für die Verschiebung politischer Kräfteverhältnisse – und ein Anlass mehr, sich rechter Einflussnahme entschieden zu verweigern.
Im Hintergrund wird über mögliche Gründe spekuliert. Die Rolle von Lars Klingbeil als künftiger Vizekanzler und Finanzminister wird kritisch betrachtet – insbesondere innerhalb der SPD. Auch Personalien wie Jens Spahn und Julia Klöckner sorgen für Unruhe. Währenddessen werden erste Stimmen laut, die ein neues Personaltableau oder sogar eine andere Koalitionskonstellation ins Spiel bringen. Noch ist alles offen.
Hintergründe und politische Lage
Die politische Ausgangslage ist angespannt. Die Koalition hatte angekündigt, beim Mindestlohn, bei der Grundsicherung und beim Klimaschutz neue Impulse zu setzen. Doch viele dieser Vorhaben sind an Kommissionen delegiert. Der Mindestlohn etwa soll laut Koalitionsvertrag von der unabhängigen Mindestlohnkommission überprüft werden. Eine klare Festlegung auf 15 Euro gibt es nicht. Auch bei der Mietpreisbremse und bei sozialen Maßnahmen finden sich nur vage Formulierungen.
Zugleich wächst der Druck von rechts. Die AfD hat in Umfragen zugelegt, ebenso das Bündnis Sahra Wagenknecht, die immer noch um den Einzug in den Bundestag kämpft. In dieser Gemengelage wirkt das Scheitern von Friedrich Merz wie ein Katalysator politischer Unsicherheit. Es verdeutlicht, dass parlamentarische Mehrheiten brüchig sind – nicht nur numerisch, sondern inhaltlich.
Die kommenden Tage werden entscheidend sein. Merz wird Gespräche führen, Fraktionen werden disziplinieren, Stimmen werden geworben. Ob das reicht, um eine stabile Regierung zu bilden, ist unklar. Sicher ist nur: Der Bundestag hat sich an diesem Tag nicht gespalten, aber er hat sich gezeigt – als Ort der Unsicherheit in einer Zeit, die nach Klarheit verlangt.
Während im Bundestag Stimmen fehlen, sind anderswo längst Pläne gemacht: Dienstreisen angesetzt, Terminkalender gefüllt, Ministerien vorbereitet. In den Fluren der Macht wartet man auf Minister, die noch nicht vereidigt sind – auf eine Regierung, die noch nicht existiert. Es ist ein stiller Stillstand, tragisch für einen Kanzler, der bereits angetreten ist – und doch noch nicht angekommen.
Die Kanzlerwahl 2025 wird als historisches Ereignis in Erinnerung bleiben – nicht wegen großer Worte, sondern wegen fehlender Stimmen. Was folgt, ist offen. Der demokratische Prozess geht weiter. Aber das Vertrauen, das eine Regierung braucht, muss sich erst noch beweisen. Auf dem Papier mag es eine Mehrheit geben. Im Parlament hat sie heute gefehlt.