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Energie mit Sand speichern

von Thomas Wendtland
Sandbatterie-Silo in Finnland speichert Wärme aus erneuerbaren Energien für die Fernwärmeversorgung im Winter

Finnland, das Land der langen Winter und der kurzen Sommer, steht sinnbildlich für die Sehnsucht nach Wärme, die nicht auf Kosten der Zukunft erzeugt werden soll. Dort, wo der Frost monatelang den Boden festhält und die Sonne sich in der dunklen Jahreszeit rar macht, ist ein unscheinbares Material zum Hoffnungsträger aufgestiegen: Sand.

Nicht der Sand aus den Urlaubskatalogen, nicht die feinen Strände, die man aus dem Sommer kennt, sondern gewöhnlicher Bausand, grau und unspektakulär, der nun in die Schlagzeilen der Energiewende gerät. In Finnland werden Sandbatterien genutzt, um Energie aus Sonne und Wind zu speichern und sie dann, wenn der Bedarf am größten ist, in Form von Wärme wieder abzugeben. Die Idee klingt so einfach, dass sie fast märchenhaft wirkt: überschüssige Energie im Sommer einfangen, monatelang im Sand bewahren und mitten im Winter wieder abrufen, um Häuser zu heizen und Industrieprozesse zu versorgen.

Wie Sand die Wärme bewahrt

Die Technik dahinter ist ebenso pragmatisch wie genial. Ein großes Silo, isoliert und gefüllt mit Sand, wird zur Schatzkammer der Wärme. Überschüssige Energie aus Solar- und Windkraftanlagen, die oft dann anfällt, wenn sie gerade niemand braucht, wird in dieses Silo geleitet. Die elektrische Energie wird in Wärme umgewandelt, der Sand wird auf Temperaturen von bis zu 650 Grad Celsius erhitzt. Was zunächst wie ein Versuchslabor für Metallguss klingt, ist in Wahrheit eine ausgeklügelte Energiespeicherung. Sand kann diese Wärme erstaunlich lange festhalten, Wochen oder sogar Monate.

Und wenn die Menschen in Kankaanpää, wo die weltweit erste kommerzielle Sandbatterie der Firma Polar Night Energy steht, im tiefsten Winter ihre Heizungen aufdrehen, dann fließt die Wärme nicht mehr ausschließlich aus klassischen Kraftwerken. Sie kommt aus dem Sommer, konserviert in einem Silo voller Sand. Die Energie reist durch die Zeit, gewissermaßen eingefroren in winzigen Körnern, bis sie wieder gebraucht wird. Das Silo selbst wirkt nach außen unscheinbar, es könnte ebenso gut ein Getreidespeicher sein, doch in seinem Inneren schlägt ein Herz aus glühender Wärme, das die Stadt am Leben hält.

Die Besonderheit dieser Technologie liegt nicht nur in der Speicherung, sondern auch in der Langsamkeit, mit der sie arbeitet. Während Batterien auf Lithiumbasis Strom liefern und wieder entladen, ohne dass man sie je sehen oder fühlen würde, hat der Sand eine Präsenz, die beinahe archaisch wirkt. Er hält die Wärme wie ein Kamin, der seit Monaten nicht erlischt, und gibt sie dann ab, wenn die Kälte draußen klirrt. Diese Form der Energiespeicherung ist ein stiller Triumph der Einfachheit: kein seltenes Metall, keine hochkomplexe Chemie, sondern das vielleicht unscheinbarste Material der Erde, das plötzlich eine Schlüsselrolle in der Energiewende übernimmt.

Warum gerade Finnland diese Idee liebt

Finnland ist ein Land, das den Winter nicht fürchtet, sondern mit ihm lebt. Die Menschen dort wissen, dass Wärme kein Luxus, sondern Überlebensstrategie ist. In Städten wie Pornainen, wo eine weitere große Sandbatterie inzwischen das Fernwärmenetz versorgt, verbindet sich die Technik mit der Tradition. Fernwärme ist in Nordeuropa ohnehin weit verbreitet, die Häuser sind an ein gemeinsames Netz angeschlossen, das zentral gespeist wird. Wenn nun der Sand die Wärme liefert, schließt sich ein Kreis, der vorher durch Kohle oder Gas geöffnet wurde.

Die Wahl des Materials ist fast poetisch in ihrer Schlichtheit. Sand ist überall, er kostet wenig, er muss nicht gefördert oder importiert werden, und er altert kaum. Während konventionelle Batterien nach Jahren ihre Kapazität verlieren und aufwendig recycelt werden müssen, verharrt der Sand einfach in seiner Rolle als einfacher Wärmespeicher. Wartung ist minimal, und die Lebensdauer eines solchen Systems kann Jahrzehnte betragen. Für ein Land, das langfristig denkt und die dunklen Monate in seinen Alltag einkalkuliert, ist das ein Geschenk.

Was in Finnland geschieht, wirkt wie ein Vorgriff auf eine mögliche Zukunft vieler Länder. In Mitteleuropa diskutiert man über den Ausbau der Stromnetze, über Wasserstoffspeicherung und über die Frage, wie man die unstete Energie aus Sonne und Wind planbar macht. Finnland hat mit Sandbatterien eine Antwort gefunden, die gerade deshalb überzeugt, weil sie auf dem Boden bleibt. Sie verspricht nicht das Blaue vom Himmel, sondern Wärme im tiefsten Winter. Sie liefert keine Schlagzeilen über Gigafactories und Superakkus, sondern eine leise, zuverlässige Lösung, die genau dort wirkt, wo Energie am häufigsten gebraucht wird: in der Heizung.

Sandbatterien speichern überschüssige Energie aus erneuerbaren Quellen als Wärme im Sand. Dieser kann monatelang heiß bleiben und bei Bedarf Wärme an Fernwärmenetze oder Industrie abgeben. Das Material ist günstig, wartungsarm und langlebig.

Quellen-Nachweis
Polar Night Energy – https://polarnightenergy.fi
Yle News Finnland – https://yle.fi/a/74-20040433
Clean Energy Wire – https://www.cleanenergywire.org/news/finnish-sand-batteries-store-heat

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