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Konklave – Zwischen Rauch und Rätsel

by Thomas Wendtland
Weißer Rauch steigt aus einem Schornstein auf einem Ziegeldach auf – Zeichen einer Papstwahl im Vatikan.

Ein stilles Ritual in weltbewegender Stille, das heute seinen Lauf nimmt – 133 Kardinäle hinter verschlossenen Türen, vier Wahlgänge pro Tag, keine Mikrofone, keine Selfies, kein politischer Smalltalk.

Es ist Mittwoch, und während draußen in der Welt die üblichen Eilmeldungen von Börsen, Beben und Blabla durch die Kanäle rauschen, betreten die Herren in Purpur eines der geheimnisvollsten Theater religiöser Geschichte: das Konklave. Der Name stammt aus dem Lateinischen cum clave – „mit Schlüssel“. Und tatsächlich wird abgeschlossen, verriegelt, versiegelt: Was dort gesprochen, geflüstert, gemurmelt wird, bleibt im Raum. Keine Talkshow, keine Kamera, kein Tweet. Nur der Rauch verrät, was drinnen geschieht – weiß, wenn ein Papst gewählt wurde, schwarz, wenn die Wahl gescheitert ist. Ein mittelalterlicher Signalcode, der erstaunlicherweise bis heute Bestand hat.

Dass nun ausgerechnet an diesem Morgen – am Beginn einer Woche voller religiöser Erwartung, stiller Spekulation und journalistischer Kaffeesatzleserei – diese Papstwahl beginnt, lässt auch Yivee nicht unberührt. Denn es geht um mehr als ein Kirchenoberhaupt. Es geht um ein Amt, das zuweilen als Gewissen der Welt bezeichnet wird. Und um die Frage: Wer darf, wer kann, wer soll?

Die verschlossenen Türen der Geschichte

Das Konklave ist kein Event wie ein Parteitag und kein Volksentscheid, sondern ein zeremonielles Kammerspiel mit jahrhundertealter Dramaturgie. Es entstand aus Misstrauen, aus menschlicher Eitelkeit und göttlichem Anspruch zugleich. Ursprünglich war die Wahl des Papstes eine offene, oft politisch zerrissene Angelegenheit, bei der weltliche Mächte eifrig mitmischten. Erst nach zermürbenden Hängepartien – man denke an das Konklave von Viterbo 1268 bis 1271, das mit 33 Monaten das längste der Kirchengeschichte blieb – griff man zu drastischen Mitteln: Die Kardinäle wurden eingesperrt, ihre Mahlzeiten reduziert, und am Ende nahm man ihnen sogar das Dach ab – in der Hoffnung, der Himmel möge das Tempo beschleunigen.

So wurde aus einem politischen Spiel ein spirituelles Ritual. Seither ist das Konklave ein innerkirchliches Verfahren, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Ein geistlicher Lockdown, in dem weltliche Einflüsse zumindest formal draußen bleiben sollen – was natürlich nicht heißt, dass keine Machtspiele stattfinden. Im Gegenteil: Die Papstwahl ist auch eine Wahl über die Richtung der katholischen Kirche. Wird es ein konservativer Kurs, eine Rückkehr zur Strenge? Oder bleibt man auf dem Weg der vorsichtigen Öffnung, den Franziskus beschritten hat – mit seiner Hinwendung zu den Armen, seiner Kritik am Kapitalismus und seinem vorsichtigen Dialog mit anderen Religionen?

Das heutige Konklave wird also nicht nur über einen Mann entscheiden, sondern über ein Narrativ. Es wählt einen Ton, eine Haltung, eine Geste – in einer Welt, die sich zunehmend polarisiert und nach Orientierung fragt.

Die Kunst der Wahl und das Rätsel der Einigung

Wer Papst werden will, ist fehl am Platz – heißt es. Doch wer sich nicht wenigstens vorstellt, das Amt zu tragen, wird vermutlich nie gewählt. Es ist ein Balanceakt zwischen Demut und Bereitschaft, zwischen innerer Berufung und äußerem Charisma. Und es ist ein Verfahren, das der Moderne trotzt: Wahlzettel, handschriftlich ausgefüllt, dreifach kontrolliert, dann verbrannt. Keine Software, kein Algorithmus, keine KI. Nur Menschen – und, so glaubt man im Vatikan, der Heilige Geist.

Die schnellste Wahl der Neuzeit war übrigens die von Papst Pius XII. im Jahr 1939. Er wurde bereits im dritten Wahlgang gewählt – nach nur einem Tag. Franziskus selbst brauchte fünf Wahlgänge, sein Vorgänger Benedikt sechsmaliges Abstimmen. Die Wahl dauert so lange, bis einer der Kandidaten die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht. Kommt sie nicht zustande, wird weitergewählt – bis zu viermal am Tag. Und so steigt der Rauch – zweimal täglich – bis er endlich weiß ist.

Während draußen in der Welt die Tagesordnungen rattern, beginnt im Inneren der Sixtinischen Kapelle eine Art Zeitlosigkeit. Kein Handy, kein Laptop, kein Liveticker. Nur Gebet, Gespräch, Gewissen. Vielleicht ist es genau diese Entschleunigung, die das Konklave so faszinierend macht: Ein Raum, in dem Macht sich demütig geben muss und Politik in lateinischen Gebeten versickert.

Ein Mann für die Welt – nicht nur für die Kirche

Am Ende wird es wieder heißen: Habemus Papam. Wir haben einen Papst. Ein Satz, der seit Jahrhunderten gleich geblieben ist, auch wenn sich die Welt rundherum radikal verändert hat. Der neue Pontifex wird ein Gesicht zeigen müssen, das Orientierung bietet – nicht nur für Katholiken, sondern für viele, die hoffen, dass es irgendwo da draußen noch eine Instanz gibt, die nicht einfach nur taktiert.

Denn das Amt hat Gewicht – symbolisch, moralisch, diplomatisch. Der Papst ist Oberhaupt von 1,3 Milliarden Gläubigen, aber auch Stimme in internationalen Krisen, Mahner in politischen Fragen, Beobachter der Welt. Ob er als Brückenbauer agiert, als Reformer oder als konservativer Bewahrer – all das hängt von der Wahl ab, die jetzt, in diesem Moment, in Stille beginnt.

Vielleicht braucht unsere Zeit wieder so einen Moment. Einen Moment, in dem nicht alles live gestreamt wird. Einen Moment des Wartens, des Fragens, der Erwartung. Einen Moment, in dem die Welt innehält – und am Ende jemand auftritt, der sich mit ruhiger Stimme erhebt und spricht: Franziskus war. Ich bin …

ⓘ Infokasten: Was ist das Konklave?
Das Konklave ist die geschlossene Versammlung der Kardinäle zur Wahl eines neuen Papstes. Nur Kardinäle unter 80 Jahren sind wahlberechtigt – aktuell 133. Die Abstimmung findet in der Sixtinischen Kapelle statt. Der neue Papst muss eine Zwei-Drittel-Mehrheit erreichen. Täglich gibt es vier Wahlgänge (zwei am Vormittag, zwei am Nachmittag). Nach jeder Abstimmung wird durch weißen (Wahl erfolgreich) oder schwarzen (keine Einigung) Rauch aus dem Schornstein über der Kapelle kommuniziert, wie der Stand ist.

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