Es gibt im Sommer diese Momente, die mehr sind als bloßes Freizeitprogramm. Sie tragen den Glanz eines Rituals, einer Rückkehr an einen Ort, an dem Menschen für ein Wochenende glauben dürfen, das Leben sei einfacher, wärmer, farbenfroher. Das Mittelalterliche Phantasie Spectaculum – kurz MPS – gehört zu diesen Momenten.
Wer schon einmal den Weg nach Luhmühlen gefunden hat, hinein in die Heide, vorbei an Pferdekoppeln und Feldwegen, weiß, wie sehr dieser Ort zu einer Bühne wird, auf der nicht nur Ritter und Spielleute auftreten, sondern auch das Publikum selbst.
Zwischen Zelten, Feuerstellen und Bühnen begegnet man nicht einfach Besuchern, sondern Rollen: der Krieger im Kettenhemd, die Magd mit Blumenkranz, die Familie mit Kinderwagen und Stockbrot. Alle eint eine Sehnsucht, die nichts mit historischen Exaktheiten zu tun hat, sondern mit der Möglichkeit, für ein Wochenende einen anderen Takt zu hören. Wenn die Trommeln schlagen, die Dudelsäcke und Trompeten aufspielen und der Geruch von Met und Braten durch die Luft zieht, dann ist es, als habe die Gegenwart Pause.
Sommerfreude in Luhmühlen
Dass ausgerechnet Luhmühlen – bekannt als Reitgelände und Pferdezentrum – sich in den letzten Jahren als feste Größe für das MPS etabliert hat, ist mehr als eine organisatorische Fußnote. Hamburg Das fette Ö), lange Zeit das große Ziel vieler Besucher, fehlt im Kalender, und so zieht man weiter nach Niedersachsen. Es ist eine Verlagerung, die zugleich eine Verwandlung ist: weniger städtisches Spektakel, mehr weite Landschaft, weniger urbaner Lärm, mehr Raum für das eigene Lagerfeuer.
Wer an einem solchen Wochenende durch die Campsite geht, erlebt eine kleine Parallelgesellschaft. Da sitzen Menschen, die sich sonst vielleicht nie begegnen würden, dicht nebeneinander. Man teilt Bierbänke, Stromkabel, manchmal auch Geschichten. Am Abend, wenn die Sonne über der Heide versinkt und die Fackeln entzündet werden, verwandelt sich das Gelände in ein Lichtspiel, das so nur hier entstehen kann. Zwischen den Bäumen flimmern Farben, und die Grenzen zwischen Bühne und Publikum verschwimmen. Jeder wird Teil des Schauspiels.
Es ist diese Sommerfreude, die das MPS zu mehr macht als einem Jahrmarkt. Man spürt das Bedürfnis, ein letztes Mal die Seele baumeln zu lassen, bevor der Herbst naht. Für viele ist es ein Jahresabschluss, ein Punkt im Kalender, an dem man bewusst noch einmal durchatmet, bevor Routine und Alltag zurückkehren.
Die Frage nach dem Preis
Doch kaum ein Gespräch über das MPS in diesem Jahr (2025) kommt ohne ein Stirnrunzeln aus. 70 Euro kostet das Samstagsticket ab 15 Jahren im Vorverkauf. Wer als Familie reist, wer Campingtickets hinzunimmt, wer Met, Braten und vielleicht noch ein Andenken kauft, spürt schnell: Das Spektakel ist kein günstiges Vergnügen mehr.
Hier zeigt sich die Ambivalenz solcher Veranstaltungen. Einerseits die große Geste: eine Welt wird erschaffen, Bühnenprogramme, Show und Walking-Acts, Lichterzauber – alles in einer Professionalität, die ihren Preis hat. Andererseits das sehr reale Gefühl, dass Kultur immer mehr zu einem Luxusgut wird. Für die einen ist es „sein Geld wert“, weil Erinnerungen geschaffen werden, die man mit keinem Kassenzettel aufwiegen kann. Für die anderen ist es schlicht zu teuer, ein Signal, dass solche Feste nicht mehr für alle gedacht sind.
Soziologisch betrachtet, berührt das eine Grundfrage unserer Zeit: Wie viel darf uns das gemeinschaftliche Erleben kosten? Und welche Teilhabe ist uns wichtig? Dass ein MPS-Besuch für manche eine Art Urlaubsersatz darstellt, zeigt den Stellenwert, den solche Events inzwischen haben. Es ist nicht bloß Unterhaltung, sondern eine Auszeit, die mit Reise, Ritual und Gemeinschaft konkurriert.
Zwischen Traum und Wirklichkeit
Vielleicht liegt der Zauber des MPS gerade in dieser Spannung. Man will den Traum – die Rückkehr in eine Welt, in der man beim Klang der Trommeln vergisst, dass draußen Kriege, Krisen und Klimafragen toben. Doch man wird erinnert, dass auch Träume kalkuliert werden, dass auch der Dudelsackspieler Gage braucht, dass auch der Veranstalter steigende Kosten schultern muss.
So wird das MPS zum Spiegel einer Gesellschaft, die auf der Suche ist nach Verzauberung, aber immer wieder an der Realität der Preise scheitert. Man darf das bedauern, man darf es aber auch als Mahnung lesen: Gemeinschaft und Kultur entstehen nicht aus dem Nichts. Sie kosten Einsatz, Geld, Planung. Und doch bleibt der Wunsch, dass sie für möglichst viele erlebbar sind.
Wenn die Nacht hereinbricht und über Luhmühlen die abendliche Kulisse von den Lagerfeuern angestrahlt wird, denkt man vielleicht nicht mehr an die 70 Euro. Man denkt daran, wie sehr man solche Orte braucht. Orte, an denen Erwachsene wie Kinder noch einmal glauben dürfen, dass das Leben mehr sein kann als eine Aneinanderreihung von Arbeitstagen. Orte, an denen man gemeinsam lachen, tanzen, singen kann.
Zwischen Teilhabe und Ausschluss
So sehr das MPS ein Ort der Freude ist, so deutlich wird auch, dass nicht alle dorthin gelangen können. Wer in Rente lebt, Bürgergeld bezieht oder im Niedriglohnsektor arbeitet, stößt bei Ticketpreisen von 70 Euro schnell an Grenzen. Während es in vielen Städten längst ermäßigte Zugänge zu Museen, Theatern oder Schwimmbädern gibt, bleibt beim MPS eine Lücke, die nicht jeder überbrücken kann.
Doch man muss nicht alles buchen, was das Festival zu bieten hat, um einen schönen Tag zu erleben. Wer sich auf das Markttreiben konzentriert, zahlt weniger Eintritt und erhält dennoch ein farbenfrohes Erlebnis. Zwischen Händlern, Gauklern und Lagerfeuern lässt sich die besondere Stimmung aufsaugen, während die Musik von den Hauptbühnen ohnehin durch die Luft trägt. So wird auch ein einfacher Marktbesuch zu einem kleinen Ausflug in eine andere Welt – erschwinglicher, aber nicht weniger eindrucksvoll.
Der Veranstalter Gisbert Hiller gilt als jemand, der sich seit Jahren bemüht, auch Randgruppen einzubeziehen, sei es durch Aktionen, vergünstigte Zugänge oder soziale Projekte. Und doch bleibt die Tatsache bestehen: Für viele, die das Spektakel eigentlich bräuchten – weil es Ausgleich, Begegnung, Freude schenkt – wird es zum Luxusgut. Es ist ein Paradox unserer Zeit: gerade jene, die Entlastung am dringendsten brauchen, können sie sich oft nicht leisten. Das ist nicht die Schuld eines einzelnen Festivals, sondern ein Spiegel der gesellschaftlichen Verhältnisse. Und dennoch bleibt es bedauerlich, dass zwischen Ritterlager und Dudelsackmusik auch ein unsichtbarer Zaun steht, der nach dem Inhalt des Geldbeutels fragt.
Ein erlebbares Märchen mit Eintrittskarte
Am Ende bleibt das MPS, was es immer war: ein Märchen mit Eintrittskarte. Die einen werden sagen, es sei zu teuer, die anderen werden sagen, es sei unbezahlbar. Zwischen diesen Polen bewegt sich unsere Gesellschaft ohnehin – zwischen der Sehnsucht nach Gemeinschaft und der Frage, was sie uns wert ist.
Vielleicht liegt genau darin die Wahrheit: dass wir solche Feste nicht danach bemessen sollten, ob sie sich rechnen, sondern ob sie uns etwas geben. Und Luhmühlen gibt etwas – eine Erinnerung, einen Sommerabend, eine Geschichte, die man noch Monate später erzählt.
Ob man sich das leisten kann, bleibt eine individuelle Entscheidung. Aber dass man es sich leisten will, ist ein kollektives Bekenntnis: zum Leben, zur Freude, zur Kunst des Ausbruchs. Und so zieht man weiter, mit leicht schmerzender Geldbörse, aber auch mit einem Herzen, das für ein Wochenende leichter geworden ist.
ⓘ Das Mittelalterliche Phantasie Spectaculum (MPS) in der Lüneburger Heide in Luhmühlen zählt zu den größten Kultur- und Musikfestivals Europas. Für Luhmühlen 2025 gelten folgende Preise:
Freitag, 05.09.2025 – Gäste ab 15 Jahren: 40 €, Gäste 7–14 Jahre: 20 €, Kinder bis 6 Jahre: frei.
Samstag, 06.09.2025 – Gäste ab 15 Jahren: 70 €, Gäste 7–14 Jahre: 35 €, Kinder bis 6 Jahre: frei.
Kombitickets (Markt + Musik) kosten am Samstag 90 € (ab 15 Jahren) bzw. 45 € (7–14 Jahre).
Rollstuhlfahrer und ihre Begleiter haben freien Eintritt. Menschen mit Handicap (ab 50 % Ausweis) erhalten 50 % Ermäßigung. Das Festival gilt als Ersatz für die früheren Hamburg-Veranstaltungen und findet in Luhmühlen statt. Neben Musik, Rittershows und Märkten lockt auch das Campinggelände mit eigenem Lichterzauber. Das Gelände ist gut erreichbar, nur etwa eine Stunde von Hamburg entfernt. Ein Shuttlebus-Service fährt vom Hauptbahnhof Lüneburg direkt zum Festivalgelände und bringt Besucher:innen nach Veranstaltungsende sicher zurück.