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Ostern – Vergessen zwischen Grill und Gewinnspiel

by Carsten Bornhöft
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Ist Ostern noch Ostern oder lernen wir wie vergessen funktioniert?

Ostern – Vergessen zwischen Grill und Gewinnspiel.Während wir bunte Eier verstecken und auf gutes Wetter hoffen, verlieren wir stillschweigend das, was diese freien Tage einmal bedeuteten: eine Geschichte von Verrat, Leid, Hoffnung und der Idee, dass selbst der Tod nicht das letzte Wort hat. Ostern ist heute Event, Konsum und Frühlingstaumel – doch der Glaube, aus dem es erwuchs, wird kaum noch erwähnt. Wir feiern, als hätten wir nie gewusst, worum es ging. Und vielleicht ist genau das das Problem: dass wir unseren eigenen Kult vergessen haben.

Es beginnt mit einem Abend. Kein festliches Gelage, kein Triumphzug, kein Feiertag, sondern ein leiser Moment, fast beiläufig: Brot, Wein, Worte, die hängen bleiben. Der Gründonnerstag ist ein Tag des Abschieds – und des Verrats. Es ist der Tag, an dem ein Freund den anderen verrät, mit einem Kuss, unter dem Deckmantel der Vertrautheit. Es ist der Tag, an dem der Mensch sich zeigt – nicht in seinem Glanz, sondern in seiner Brüchigkeit. Jesus weiß, was kommt. Und trotzdem teilt er das Brot. Wäscht die Füße. Spricht von Liebe, von Erinnerung. Und während draußen schon Schritte hallen und die Nacht näher rückt, bricht drinnen ein anderes Licht an: das Licht der Erkenntnis, dass Gemeinschaft nicht ewig ist. Dass Vertrauen zerbrechlich ist. Dass selbst der Sohn Gottes nicht vor der Angst fliehen kann. Der Gründonnerstag markiert den Anfang dessen, was Ostern eigentlich ist: nicht die Freude am Frühling, sondern die Konfrontation mit dem Ende – und dem, was danach kommen könnte.

Von der Tiefe zur Oberfläche

Doch fragt man heute, was Ostern eigentlich ist, bekommt man oft ein Stirnrunzeln und Antworten, die so flach sind wie ein Festivalplakat im Nieselregen. Drei freie Tage, bunte Eier, Schokohasen im Sonderangebot. Und wenn man Glück hat, noch ein „Das hat was mit Jesus zu tun, oder?“ – halb fragend, halb scrollend. Der Karfreitag, so hört man aus dem Munde Jugendlicher, sei „der Tag, an dem man nix darf“ – kein Club, kein Public Viewing, kein Burger mit Beats. Der Feiertag als Spaßbremse, als wäre einmal innehalten eine Zumutung. „Das ist der Tag, an dem sogar das Handy leiser klingelt“, meinte neulich ein 16-Jähriger – nicht spöttisch, sondern ernst gemeint. Besonders das Tanzverbot sorgt regelmäßig für Empörung: Es gilt plötzlich als Symbol für rückwärtsgewandte Bevormundung – nicht etwa, weil man sich mit dem Sinn des Tages auseinandergesetzt hätte, sondern weil man glaubt, jedes „Verbot“ sei automatisch Unrecht. Dass der Karfreitag aber gerade deshalb existiert, um einmal nicht zu tanzen, um einmal innezuhalten – nicht aus Gehorsam, sondern aus Respekt vor der Endlichkeit – scheint in Zeiten permanenter Unterhaltung kaum mehr vermittelbar. Ausgerechnet jene, die sich sonst lautstark für Achtsamkeit, Toleranz und kollektive Traumaarbeit einsetzen, empören sich über einen Tag, der all das sein könnte – aber nicht laut genug dafür wirbt. Der Karfreitag wird dann zum Beweis für eine „veraltete Ordnung“ erklärt, während der eigentliche Sinn mit einem Schulterzucken beiseitegeschoben wird. Die Tiefe wird zur Störung erklärt, die Stille zum Fehler im System. Die Fragen, die dieser Tag stellt – nach Schuld, Versöhnung, Ohnmacht und Mut – passen eben nicht in eine Instagram-Story. Oder in einen Clubkalender.

Und dann: Ostern

Ostersonntag. Der Tag, an dem alles neu beginnen sollte. Das Grab ist leer, sagen sie. Er lebt, sagen sie. Hoffnung kehrt zurück, sagen sie. Aber wer sagt das heute noch? Wer hört es? Wer glaubt es? Wer ahnt, was es bedeutet, wenn selbst der Tod nicht das letzte Wort behält? Der Tag, der einst das Zentrum des christlichen Glaubens war, ist zu einem Brunch-Termin geworden. Zu einem Familientreffen mit Hefezopf und Eierlikör. Die Kirchen – wenn überhaupt – spärlich besucht. Der Glaube? Ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit, sagen viele. Und merken nicht, dass sie sich damit auch des Trostes berauben, der aus einer solchen Geschichte erwachsen könnte. Der Ostermontag schließlich ist der letzte freie Tag. Kein Feiertag mit Inhalt, sondern ein bürokratischer Restposten. Ein Tag, an dem viele wieder aufräumen, zurückfahren, sich vom „Fest“ erholen. Die Hoffnung – so sie denn existierte – wird verstaut. Bis zum nächsten Jahr – Vielleicht?

Während in den Touristenzentren das Programm auf Hochtouren läuft – Osterbrunch, Tuba-Bläser, Kinderschminken, Frühlingsmarkt mit Trampolin und Grillduft – bleibt das Eigentliche nahezu unsichtbar. Kein öffentlicher Gottesdienst unter freiem Himmel. Kein Theaterspiel, das die Ostergeschichte erzählt. Kein Hinweis auf die Tatsache, dass diese freien Tage nicht von selbst vom Himmel gefallen sind, sondern von einem Glauben gestiftet wurden, der einst das Rückgrat einer ganzen Gesellschaft war. Stattdessen übernehmen die Einkaufstempel der Großkonzerne das Zepter, als wären sie die neuen Dome unserer Zeit – mit Hochglanzprospekten statt Evangelium, Rabattcodes statt Liturgie. Es wirkt wie bei jenen Musikfestivals, bei denen die Bühne längst größer ist als das, wofür sie gebaut wurde – und das Wesentliche im Licht der Scheinwerfer verdampft. Ostern wird zur Show, zur Choreografie des Vergessens. Und die Auferstehung? Ein Gerücht am Rande des Rahmenprogramms.

Was bleibt?

Vielleicht ist es naiv, zu glauben, man könne diese Tage einfach wieder mit Bedeutung füllen. Vielleicht ist es auch überheblich, dies zu fordern. Und doch: Es bleibt ein seltsames Gefühl zurück. Dass da etwas war – und dass es uns nicht egal sein sollte, dass es verschwunden ist. Denn Ostern erzählt etwas, das größer ist als Religion. Es erzählt von Ohnmacht. Von Scheitern. Vom Tod. Und von der Möglichkeit, dass daraus dennoch etwas entsteht. Eine neue Perspektive. Ein zweiter Blick. Ein dritter Versuch. Wer Ostern versteht, muss nicht glauben – aber er beginnt zu ahnen, dass wir mehr brauchen als Konsum und Kalenderfreiheit. Dass wir Rituale brauchen, die uns unterbrechen. Die uns erinnern. Die uns für einen Moment aufhalten in unserem ständigen Weiter-so. Vielleicht ist es nicht zu spät. Vielleicht können wir diese Tage wieder mit Bedeutung füllen – nicht, weil wir müssen, sondern weil wir es könnten. Ostern ist mehr als Eier. Es ist der Versuch, dem Leben eine Tiefe zu geben, die sich nicht kaufen lässt. Wer sich traut, diesen Weg von Gründonnerstag bis Ostermontag nachzuvollziehen, wird am Ende vielleicht keine Antworten haben – aber Fragen, die den Alltag überdauern.

ⓘ Was ist Ostern – und warum haben wir eigentlich frei?

  • Gründonnerstag erinnert an das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern. Es ist der Anfang der sogenannten „Karwoche“ und markiert bereits die innere Erschütterung, aus der Ostern erwächst.
  • Karfreitag ist der Tag der Kreuzigung. Christ:innen gedenken dem Leiden und Tod Jesu – und viele Gesetze schützen diesen Tag als „stillen Feiertag“.
  • Karsamstag ist ein Tag des Wartens, der Grabesruhe. Keine Gottesdienste – nur Stille.
  • Ostersonntag feiert die Auferstehung. Für viele Gläubige das zentrale Ereignis des christlichen Glaubens.
  • Ostermontag ist der zweite Feiertag und wurde später eingeführt, um das Osterfest würdig abzurunden.

Diese freien Tage haben ihren Ursprung im christlichen Kalender. Sie sind kein kultureller Zufall, sondern Ausdruck einer Erzählung, die unsere Gesellschaft geprägt hat – und vielleicht wieder prägen sollte.

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