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Privatsache Kreml – Stegner

von Carsten Bornhöft

Wie die SPD Vertrauen verspielt
Ein Kommentar über politische Naivität, rhetorische Ausflüchte und das schleichende Auseinanderdriften von Mandat und Moral.

Es gibt Momente, da versagt die Sprache. Nicht aus Mangel an Worten, sondern weil der Zynismus der Realität ihr stets eine Silbe voraus ist. Wenn ein Mandatsträger – gewählt, vereidigt, mit öffentlichem Vertrauen ausgestattet – sich mit Vertretern eines Regimes trifft, das Tod und Zerstörung exportiert, dann stellt sich nicht zuerst die Frage nach der Relevanz des Treffens. Sondern nach dem moralischen Kompass, der ihn dorthin führte. Und nach dem Schweigen, das darauf folgt.

Wenn ein SPD-Mandatsträger plötzlich in Baku auftaucht – nicht etwa im Rahmen offizieller Diplomatie, sondern bei einem Treffen mit Kreml-nahen Eliten – dann ist das kein Betriebsunfall. Es ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die Sanktionen mittragen, Gaspreise schultern und der Ukraine beistehen – nicht mit Worten, sondern mit Haltung.

Rhetorische Fluchtwege statt Klartext

Und das Schlimmste ist: Ralf Stegner log offenkundig, als er auf die Reise angesprochen wurde. Wörtlich sagte er, er äußere sich nicht „zu privaten Dingen“. Die Frage, was genau er „privat“ in Baku gemacht habe? Antwort: „Das ist privat.“ Ein rhetorisches Ausweichmanöver, das nicht nur durchschaubar, sondern auch gefährlich ist. Denn wer sich öffentlich inszeniert, darf sich nicht im entscheidenden Moment auf das Private zurückziehen. Schon gar nicht, wenn es um Kontakte in geopolitische Grauzonen geht. Das ist keine Privatsache. Das ist ein potenzieller Missbrauch von Vertrauen – und ein Bärendienst an der Glaubwürdigkeit des gesamten demokratischen Betriebs.

Und während auf beiden Seiten des Krieges Menschen sterben – Soldaten, Zivilisten, Väter, Mütter, Greise und Kinder – während Kinder verschleppt, Journalistinnen und Journalisten in Gefängnissen zu Tode gefoltert, Hoffnung und Leben zerstört werden, während Europa um seine Ordnung ringt und ganze Landstriche in Schutt und Asche liegen, geht ein deutscher Parlamentarier mit Kreml-Vertretern in Baku feiern.

Feiern – als wäre all das nicht. Als wäre der Krieg ein entfernter Betriebsunfall und nicht eine Wunde, die täglich blutet. Wer so handelt, handelt nicht „privat“. Er handelt gewissenlos. Und er stellt sich selbst außerhalb dessen, was Verantwortung in einer Demokratie bedeuten muss.

Der Preis des Schweigens

Die Frage ist also nicht, ob Stegner das Vertrauen Einzelner verspielt hat – sondern ob die SPD insgesamt begriffen hat, was in solchen Momenten auf dem Spiel steht: nicht weniger als ihre Glaubwürdigkeit gegenüber denen, die sie gewählt haben, weil sie sich auf Haltung verlassen wollten.

Denn Stegners Auftritt ist mehr als eine missglückte Reise: Er ist ein Symbol für eine SPD, die zu oft zwischen ihren historischen Prinzipien und taktischem Lavieren schwankt. Und er reiht sich ein in eine Entwicklung, an deren Anfang das Zögern des heutigen Bundeskanzlers und die wirtschaftlichen Verflechtungen eines früheren Kanzlers namens Gerhard Schröder stehen – jener Schröder, der als hochdekorierter Gaslobbyist Putins Interessen den roten Teppich mitverlegte.

In dieser Gemengelage wirkt das Treffen in Baku nicht wie ein Ausrutscher, sondern wie ein weiteres Kapitel im Drehbuch einer Partei, die dringend wieder wissen sollte, auf wessen Seite sie steht.

Ich schreibe diesen Kommentar als Carsten Bornhöft, als Journalist – und als SPD-Mitglied. Nachdem die Süddeutsche Zeitung über das Treffen berichtete, musste ich erst einmal tief Luft holen. Nicht nur wegen der Ungeheuerlichkeit des Vorgangs, sondern weil ich begriffen habe, wie tief Teile der Führungsspitze meiner eigenen Partei gesunken sind – aus welchen Gründen auch immer.

Es hat Zeit gebraucht, das in Worte zu fassen. Und es tut weh, das zu schreiben. Denn ich glaube an politische Verantwortung, an Haltung, an das, was Sozialdemokratie einmal bedeutete. Gerade deshalb war es notwendig, diesen Kommentar zu verfassen. Aus Sorge. Aus Zorn. Und aus der Hoffnung heraus, dass nicht alles verloren ist.

Und vielleicht sollte man das dem einen oder anderen Funktionär einmal so deutlich sagen, wie man es in einer norddeutschen Eckkneipe täte: Wer sich mit solchen Leuten trifft, darf sich nicht wundern, wenn er irgendwann denselben Stallgeruch trägt.

Nachweis: Dieser Beitrag basiert auf Recherchen der YIVEE Redaktion, unter anderem mit Verweisen auf die Süddeutsche Zeitung, Tagesschau.de sowie öffentlich zugängliche Aussagen und Interviews mit Ralf Stegner (Mai 2025).

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