Die Preise für einen Urlaub an der Ostsee ziehen auch in diesem Jahr kräftig an. Im Vergleich zu 2024 sind Übernachtungen, Gastronomie und Nebenkosten teilweise um mehr als 35 Prozent gestiegen. Selbst einfache Ferienwohnungen erreichen inzwischen Summen, die früher exklusiven Hotels vorbehalten waren. Die Folge: Viele Familien fragen sich, wie Urlaub unter solchen Bedingungen überhaupt noch Freude machen soll. Zwischen überhitztem Markt, steigender Belastung und schwindender Atmosphäre entsteht ein Bild, das wenig mit Erholung zu tun hat – dafür umso mehr mit der Frage, wer sich diese Auszeit eigentlich noch leisten kann. Eine Situationsbeschreibung zwischen Preisdruck und Urlaubsfrust.
Wer dieser Tage über Ostern an die Ostsee reist, zahlt deutlich mehr als noch vor drei Jahren. Die beliebte Urlaubsregion hat nicht nur ihre Sandburgen, sondern auch ihre Preisstrukturen ordentlich aufgestockt. Von Lübeck bis Usedom, von Fehmarn bis Rügen: Was früher als bodenständiges Reiseziel galt, zeigt sich heute mitunter von seiner kostspieligen Seite – und sorgt bei Urlaubern für Stirnrunzeln statt Entspannung.
Ein kurzer Blick in die Zahlen genügt: Während eine vierköpfige Familie in der Osterzeit 2021 für eine Ferienwohnung durchschnittlich rund 110 bis 120 Euro pro Nacht zahlte, liegt der Preis aktuell bei 160 bis 170 Euro – je nach Region, Ausstattung und Buchungszeitpunkt. Das entspricht einem Anstieg von etwa 40 Prozent innerhalb von drei Jahren. In beliebten Orten wie Timmendorfer Strand, Zingst oder Binz sind es zum Teil sogar mehr. Auch die Nebenkosten für Parken, Gastronomie, Freizeitangebote und Kurtaxe haben angezogen – mitunter spürbarer als der Wind vom Meer. Eine Portion Fischbrötchen, einst ein kulinarisches Muss für Küstenurlauber, kostete 2021 in der Regel zwischen 2,50 und 3,50 Euro. Heute werden – je nach Lage – 4,50 bis 6,00 Euro fällig. Ein Eisbecher mit zwei Kugeln liegt mittlerweile fast durchgängig bei über 5 Euro. In der Gastronomie haben sich die Preise um 25 bis 35 Prozent erhöht, was mit steigenden Einkaufspreisen, Energie- und Personalkosten begründet wird. Auch die Mehrwertsteuererhöhung in der Gastronomie zum Jahresbeginn 2024 auf wieder 19 Prozent schlägt nun voll durch – und landet letztlich auf dem Bon der Gäste.
Doch woher kommen diese Entwicklungen im Detail? Die Gründe sind vielfältig – und wirtschaftlich nachvollziehbar, zumindest auf den ersten Blick. Die Jahre der Pandemie haben die Branche hart getroffen. Viele Betriebe mussten ihre Rücklagen aufbrauchen oder sich verschulden, um überhaupt zu überleben. Kurzarbeit, Umsatzeinbußen, Unsicherheit – das alles hinterließ Spuren. Als der Tourismus wieder anzog, schlug zugleich die Inflation zu. Höhere Energiepreise, gestiegene Löhne im Gastgewerbe und die zunehmende Verknappung von Arbeitskräften sorgten für wachsende Betriebskosten. Hinzu kamen notwendige Investitionen in Hygienemaßnahmen, Digitalisierung und Instandhaltung, die während der Zwangspause oft aufgeschoben worden waren.
Für die Anbieter ist die Rechnung daher einfach: Wer wirtschaftlich überleben will, muss höhere Preise verlangen. Für die Gäste jedoch sieht das anders aus. Die Zahlungsbereitschaft vieler Familien ist zwar vorhanden, aber nicht grenzenlos. Besonders Haushalte mit mittlerem oder kleinem Einkommen geraten zunehmend unter Druck. Eine Woche Urlaub an der Ostsee in den Osterferien kann mittlerweile locker 2.000 bis 2.500 Euro kosten – ohne dass dabei Extravaganzen wie Spa-Behandlungen oder Sternerestaurants eingeschlossen wären.
Die Folge: Der klassische Ostseeurlaub droht, zu einem Privileg zu werden – oder zumindest zu einem Luxus, den man sich nicht jedes Jahr leisten kann. Wer früher selbstverständlich über Ostern an die Küste fuhr, rechnet heute zweimal. Manche weichen auf Kurzurlaube oder Camping aus, andere auf günstigere Reiseziele – etwa an die polnische Ostsee, die mit ähnlich schönen Stränden, aber moderateren Preisen wirbt. Doch der Markt, so scheint es, ist heißgelaufen – und zwar bis zur Selbstentzündung. Wenn das Preiskarussell sich weiterdreht, ohne dass die Zahl der Mitfahrer steigt, beginnt die Schlange, sich von hinten selbst zu verschlingen. Was als Kalkül begann – höhere Preise, bessere Margen – könnte sich in sein Gegenteil verkehren. Der leer gebliebene Strandkorb bringt keine Rendite, auch wenn er 30 Euro am Tag kosten soll. Die Tourismuswirtschaft ist da nicht anders als die Natur: Sie verträgt kein dauerhaftes Ungleichgewicht. Märkte, die überhitzen, kühlen sich nicht sanft ab – sie kippen. Und so könnte aus dem Osterurlaub, der heute noch teuer ist, morgen einer werden, den sich niemand mehr leisten will – oder muss. Dann stehen die Ferienwohnungen leer, nicht aus Mangel an Nachfrage, sondern aus Übersättigung am Preis. Und vielleicht beginnt genau dort ein Umdenken, ein neuer Gleichklang von Preis und Wert, von Sehnsucht und Wirklichkeit. Noch ist es nicht so weit. Aber wer genau hinsieht, erkennt schon die feinen Risse im Lack der goldenen Saison.
Ein weiterer Faktor sind die steigenden Immobilienpreise an der Küste. Viele Ferienwohnungen gehören nicht mehr den Gastgebern selbst, sondern Investoren oder Eigentümern, die über Agenturen vermieten. Die Mieten und Verwaltungskosten steigen – und werden weitergereicht. Die Ostsee wird dadurch nicht nur zum Tourismusziel, sondern auch zum Anlageobjekt. Und damit beginnt eine Entwicklung, die sich nicht nur am Preis, sondern auch an der Atmosphäre bemerkbar macht. Wo früher ein Rezeptionist den Schlüssel mit einem freundlichen Wort und einem Lächeln überreichte, empfängt man heute einen Zugangscode per Mail – nüchtern, präzise, kontaktlos. Der Urlaub beginnt mit Zahlenfolgen und endet mit dem Einwurf des Schlüssels in einen anonymen Kasten an der Hauswand. Was einst Begegnung war, ist zur Prozessoptimierung geworden. Die menschliche Geste, das kurze Gespräch, die Empfehlung für den besten Bäcker im Ort – sie verschwinden zugunsten eines reibungslosen Ablaufs. Der Gast wird zum Datensatz, der Aufenthalt zur Buchung, die Erinnerung zur Rechnung. Und mit der Nähe verschwindet auch der Charme.
Auch viele Veranstaltungen, einst das Salz in der touristischen Suppe, gehen in der Qualität zurück. Wenn dann Preis und Erlebnis nicht mehr zusammenpassen, entstehen enttäuschende Urlaubsbilder: Es ist schön, ja, aber es ist auch – leer. Frische Luft, ein paar Spaziergänge, ein bisschen Flanieren – das reicht vielleicht für ein Wochenende, aber nicht für das, was viele unter „Urlaub“ verstehen. Denn echtes Urlaubsgefühl entsteht nicht nur durch Landschaft, sondern durch Begegnung, durch Lebendigkeit. Ein Osterfeuer ohne Musik, ohne Tanz, ohne Atmosphäre ist eben nur ein Haufen brennendes Holz. Andere Länder bieten hier oft mehr: einladendere Programme, gelebte Gastfreundschaft, kulturelle Vielfalt. In Deutschland bemerken wir das zu selten – vielleicht, weil wir mit anderen Sorgen beschäftigt sind. Vielleicht, weil das Alltägliche uns zunehmend auffrisst. Doch genau darin liegt das Risiko: Wenn Erholung zur Pflichtveranstaltung wird, wenn sie teuer und gleichzeitig leer erscheint, verstärken sich Unzufriedenheit und das Gefühl, sich nicht einmal mehr die Pause vom Leben leisten zu können. Und das ist gewiss: Wer sich keinen Urlaub mehr leisten kann, wird nicht zufriedener. Er wird müde. Und wer müde ist, hört auf zu träumen.