Es gab eine Zeit, da war Facebook ein Symbol für Aufbruch. Für Vernetzung, für Austausch, für das Aufbrechen alter Kommunikationsmuster. Heute jedoch ist von diesem Geist kaum noch etwas geblieben.
Facebook sperrt Nutzer nach undurchsichtigen Kriterien, verlangt zur „Verifizierung“ biometrische Scans, verteilt willkürlich Werbeeinschränkungen und agiert dabei fern jeder rechtsstaatlichen Kontrolle. Eine Plattform, die einmal die Welt verbinden wollte, isoliert nun Nutzergruppen in Meinungsblasen und entzieht der Öffentlichkeit den offenen Diskurs. Wo einst Freiheit herrschte, regiert heute ein algorithmischer Dirigismus, der mehr Angst als Aufklärung sät.
Die Datenschutzgrundverordnung, geschaffen, um genau solche Entwicklungen zu verhindern, wird systematisch unterlaufen. Persönliche Daten, Bewegungsmuster, Vorlieben – all das ist für Facebook längst nicht mehr Teil eines Schutzbedarfs, sondern Teil des Geschäftsmodells. Die Würde des Einzelnen wird veräußert wie eine billige Aktie. Wer sich dem nicht unterwerfen will, verliert sein Konto. Wer sich wehrt, wird auf No-Reply-Adressen verwiesen. Facebook, das war einmal die Bühne der Vielen. Heute ist es der Gerichtssaal ohne Verteidiger.
Der politische Sprengstoff hinter den Kulissen
Noch gefährlicher als die Missachtung individueller Rechte ist die schleichende politische Einflussnahme, die Facebook ermöglicht – und befördert. Indem Nutzer in abgeschottete Gruppen gelenkt werden, in denen sie nur noch Bestätigung und kaum noch Widerspruch erfahren, entstehen Parallelgesellschaften, in denen sich extreme Meinungen ungestört radikalisieren können. Dieser Prozess findet nicht zufällig statt, sondern ist strukturell angelegt. Er dient nicht der Demokratie, sondern ihrer Erosion.
Besonders brisant wird dieser Befund, wenn man sich ansieht, wie Meta seine Interessen in Deutschland absichert. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) arbeitet seit 2019 im Rahmen eines sogenannten „Faktenprüferprogramms“ mit Meta zusammen. Offiziell soll dies der Eindämmung von Falschinformationen dienen. Tatsächlich jedoch bindet Facebook dadurch journalistische Institutionen in eigene Strukturen ein – und etabliert sich als Wächter der Wahrheit, während es selbst die Spielregeln diktiert.
Parallel dazu ist Meta auch in der Bundesregierung und im Bundestag aktiv, wo die angebliche Rolle von Technologie für den gesellschaftlichen Fortschritt diskutiert wird. Der Zugang zu politischen Entscheidern wird strategisch gesucht und gepflegt. Es entsteht der Eindruck, dass Meta sich nicht auf offenen Wettbewerb verlässt, sondern gezielt Einfluss auf Schaltstellen der Macht nimmt – ein Lobbyismus der unfeinsten Sorte, der kaum öffentlich kontrolliert wird. Was als „Diskurs“ verkauft wird, ist in Wahrheit Teil eines langfristigen Machtprojekts.
Wenn politische Randgruppen, Rechtsradikale und Demokratieverächter auf fruchtbarem Boden gedeihen, dann liegt das auch an Plattformen wie Facebook, die Sichtbarkeit steuern und Gegenstimmen marginalisieren. Die Demokratie aber lebt vom offenen Streit, vom transparenten Austausch und vom Recht jedes Bürgers, gehört zu werden. In abgeschotteten Informationsräumen wird dieser Anspruch systematisch untergraben.
Klare Wege – Verantwortung übernehmen, Einfluss entziehen
Ein jeder hat das Recht, selbst zu entscheiden, welches soziale Netzwerk er benutzen möchte. Und ein jeder hat ebenso das Recht, bei Facebook das Weite zu suchen. Wer sein Konto gesperrt bekommt, ohne je einen konkreten Hinweis auf ein Fehlverhalten zu erhalten, während er gleichzeitig beobachten muss, wie an anderer Stelle Fehlinformationen unbehelligt verbreitet werden, wird sich zwangsläufig fragen, ob dieses Netzwerk überhaupt noch eine Zukunft hat.
Wer den Schlag spürt und sieht, wie andere lustig weitermachen, darf sich diese Frage stellen. Besonders dann, wenn die Sperre mit dem Verweis auf sogenannte „Gemeinschaftsstandards“ begründet wird, deren Inhalt man nicht kennt, deren Anwendung niemand erklären kann – und deren Existenz offenbar eher der Willkür als der Gerechtigkeit dient. Facebook beansprucht für sich das Recht, nach eigenen Regeln zu urteilen, ohne Transparenz, ohne Begründung, ohne Widerspruchsmöglichkeit. Und gerade darin liegt der eigentliche Verrat: Während sich das Netzwerk auf selbstdefinierte Standards beruft, versucht es zugleich, die Standards unserer demokratischen Gesellschaft zu untergraben – jene Prinzipien von Offenheit, Beteiligung und Fairness, die es angeblich schützen will. Wer in solch einem System zum Schweigen gebracht wird, steht nicht nur im digitalen Regen – er erkennt auch, dass es an der Zeit ist, das Dach selbst zu bauen.
Doch die Verantwortung endet nicht beim Einzelnen. Auch die Politik steht in der Pflicht, und das gilt insbesondere für eine neue Bundesregierung unter Friedrich Merz. Wer den Anspruch erhebt, Demokratie zu verteidigen, darf nicht tatenlos zusehen, wie ein privater Konzern die öffentliche Meinungsbildung unterwandert und extreme Ränder stärkt.
Wenn Facebook weiterhin unkontrolliert agiert, trägt die Regierung Mitschuld daran, dass politische Randgruppen wie die AfD nicht schrumpfen, sondern wachsen. Wer den schleichenden Zerfall der demokratischen Kultur billigend in Kauf nimmt, indem er Schlüsselakteuren wie Meta freie Hand lässt, verletzt seine Rolle als Wächter der Verfassung.
Es ist ein Gedankengang, der schwer wiegt: Wenn die Regierung untätig bleibt, öffnet sie der Aushöhlung der Demokratie Tür und Tor – und macht sich selbst angreifbar für rechtliche Schritte. Denn die Verteidigung der demokratischen Grundordnung ist nicht bloß moralisches Gebot, sondern verfassungsrechtliche Pflicht.
Die Gesellschaft hat die Mittel, die Weichen selbst zu stellen. Alternativen existieren längst: Mastodon, Bluesky, offene Plattformen für Gemeinschaft und Vernetzung. Wer heute seine Freiheit bewahren will, muss bereit sein, neue Wege zu gehen – und erwarten dürfen, dass auch die Regierung nicht länger zuschaut, sondern handelt.
Nicht irgendwann, sondern jetzt!