Home KulturBuchempfehlungenWas wir lesen sollten – Juli 2025

Was wir lesen sollten – Juli 2025

von Thomas Wendtland
Ein Mann mit Sonnenhut und Sonnenbrille sitzt am Rheinufer, die Knie angezogen, vertieft in ein Buch. Der Fluss verläuft unscharf im Hintergrund.

Ein heller Sommertag. Die Luft steht still. Irgendwo zirpt ein Insekt, die Welt scheint auf Pause gedrückt. Ich habe Zeit – und ein Buch in der Hand.

Ich liege am Strand. Ich sitze auf der Alm. Ich blicke von einem Felsen im Harz auf die Täler. Ich sitze in Köln am Rheinufer, irgendwo im Schatten, irgendwo im Licht. Die Sonne steht hoch. Die Gedanken sind langsam. Ich trage einen Sonnenhut und eine Sonnenbrille. Und in der Hand: ein Buch. Ich lese. Und was ich lese, möchte ich erzählen und meinen Lesern näherbringen – nicht als Empfehlung, sondern als Einladung.

Holly Jackson legt mit Not Quite Dead Yet einen Thriller vor, der sich weigert, bloß Unterhaltung zu sein. Es geht um die Erwartung, Opfer könnten frühzeitig wissen, was ihnen geschieht – und darum, wie trügerisch Erinnerung sein kann. Das Buch stellt Fragen, keine Thesen. Und das macht es stärker als viele politische Kommentare.

Lucas Schaefer, mit The Slip, erzählt vom Verschwinden eines Jungen in den 1990ern. Kein Krimi, kein Coming-of-Age, sondern eine präzise erzählte Momentaufnahme jener Jahre, in denen alles möglich schien – und fast nichts gesagt wurde. Die Sprache ist reduziert, die Wirkung nicht.

Michelle Huneven’s Bug Hollow nähert sich dem großen amerikanischen Familienroman von innen – über Jahrzehnte, ohne Klischees. Sie beschreibt nicht das Drama, sondern die Lücke danach. Selten war ein Generationenporträt so leise und zugleich so klar in der Aussage: Familien sind keine Erzählung, sondern ein Echo.

In Taylor Jenkins Reid’s Atmosphere wird der Sommer zum Spiegel einer Identitätskrise, die weniger privat als kulturell ist. Wer sind wir, wenn die Bilder, die wir von uns machen, sich verselbstständigen? Wer kuratiert unsere Geschichten – und warum glauben wir sie selbst?

Lisa Jewell treibt es mit Don’t Let Him In auf die Spitze. Ein Haus, ein Mann, eine Lüge. Der Plot ist genretypisch, doch die Beobachtung psychologisch fein. Hier wird nicht mit Schockeffekten gearbeitet, sondern mit einem Blick für die Schieflagen, die in jeder Konversation lauern.

Wer es lyrisch mag, wird im Gedichtband Midden Witch von Fiona Benson fündig. Ihre Verse kreisen um weibliche Körper, Gewalt, Natur und Mythos – ohne magisches Getue, sondern mit archaischer Wucht. Das ist keine Poesie für Instagram, sondern für Menschen, die Worte noch aushalten können.

Shane McCrae’s New and Collected Hell ergänzt das – sprachlich radikal, thematisch kompromisslos. Hier wird nicht gelitten, hier wird konfrontiert. Die Texte sind ein Aufstand gegen das Vergessen. Sie funktionieren nicht im Vorbeigehen. Sie verlangen Präsenz.

Und dann ist da Mel Robbins mit The Let Them Theory – ein Sachbuch, das viral ging, aber klüger ist, als der Hype vermuten lässt. Ihr Ansatz: Lass die anderen machen, was sie wollen – du bist nicht verantwortlich für fremde Erwartungen. Simpel? Ja. Aber relevant in einer Zeit, in der jeder Konflikt sofort kollektiviert wird.

Ich verlinke nichts. Suchen müsstet ihr schon selbst, wenn euch ein Titel interessiert.
Aber ich mag es, zu lesen – und ich mag es, wenn ich euch erzählen darf, wie tief man in ein Buch versinken kann.

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