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Wenn Technik sieht, was der Mensch verdrängt

by Carsten Bornhöft
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Wenn Technik sieht, was der Mensch verdrängt - Monocam System

Ein neues Auge sieht jetzt mit. Es sitzt nicht auf dem Beifahrersitz, nicht im Rückspiegel, sondern hoch oben an einem Mast, manchmal auf einem mobilen Kastenwagen, oft unscheinbar, aber mit scharfem Blick. Und es sieht mehr, als uns lieb ist. Die Rede ist vom Monocam-System, einem digitalen Wächter, der erkennen kann, ob ein Fahrer sein Handy ans Ohr hält, eine WhatsApp tippt oder einen Routenplaner abliest – und das nicht nachträglich, sondern live.

Diese Überwachung, die früher wie eine Dystopie wirkte, ist jetzt Realität. Sie wird getestet, ja, aber nicht mehr nur zum Spaß der Ingenieure oder zur Ruhestandsbeschäftigung eines Referatsleiters. Sie wird eingeführt – im Regelbetrieb.

Was früher der aufmerksame Schutzmann am Straßenrand war, ist nun ein Algorithmus, der nicht müde wird, nicht blinzelt und keinen Ermessensspielraum kennt. Der Monocam erkennt Handys, hält den Moment fest, und zwar so, dass die Polizei später ein Bild vorliegen hat, das mehr sagt als tausend Ausreden. Noch ist der Mensch – genauer gesagt: die Polizeibeamtin oder der Beamte – das letzte prüfende Glied in dieser digitalen Kette. Denn nicht jedes Bild ist eindeutig, nicht jeder Fahrer auch schuldig. Doch das System ist eindeutig auf dem Vormarsch. Es wird kommen. Und es wird bleiben.

Der Blick in die unsichtbare Unachtsamkeit

Immer häufiger sind Unfälle nicht nur Folge von Geschwindigkeit oder Drogen, sondern schlicht von Ablenkung. Ein kurzer Blick aufs Display – und plötzlich ist das Auto vor einem kein bewegtes Objekt mehr, sondern ein stehendes Hindernis. Zu spät erkannt, zu spät gebremst. Die Fußgängerin ist schon auf dem Zebrastreifen. Das Kind war schneller als erwartet. Und dann heißt es wieder: „Ich hab’s nicht gesehen.“ Doch die Statistik sieht es. Sie kennt das Muster, kennt die Zeitpunkte, kennt die Geräte, die gefunden wurden – ungesperrt, mitten im Chat, offen auf dem Schoß.

Eine Sekunde abgelenkt bei Tempo 100 – das sind rund 28 Meter Blindflug. Zwei Sekunden – fast 60 Meter. In dieser Zeit fährt man also blind durch einen halben Fußballplatz. Wer dann in ein Stauende kracht, „platzt“ nicht einfach rein, er durchdringt die Situation – mit voller Wucht. Der durchschnittliche Bremsweg bei 100 km/h beträgt gut 55 Meter. Wer in diesem Moment noch mit dem Daumen wischt, hat keine Chance. Und vor allem: Die anderen auch nicht.

Die Monocam-Technik antwortet auf diese Gefahr mit der kühlen Präzision des digitalen Zeitalters. Sie scannt – und unterscheidet nicht zwischen Chef, Mutter oder Fahranfänger. Sie sieht, was da ist. Sie tut, was wir Menschen längst nicht mehr leisten können, weil der Straßenverkehr zu voll, zu komplex und zu schnell geworden ist, um alles zu überblicken. Wer heute auf der Autobahn fährt, fährt oft zwischen zwei WhatsApps und einem TikTok-Clip hindurch. Nicht jeder, aber genug, um die Alarmglocken schrillen zu lassen.

Und es ist, mit Verlaub, keine Freiheit, in der linken Hand ein iPhone zu halten und mit der rechten einen Blinker zu setzen. Es ist ein Risiko. Für alle. Und es ist naiv zu glauben, dass eine Gesellschaft, die sich selbst gern für fortschrittlich hält, auf diese Gefahr nicht reagiert. Dass sie weiter duldet, dass sich Menschen lieber ein Emoji schicken, als auf eine rote Ampel zu achten. Die Monocam mag ein Symbol für den Kontrollstaat sein, sie ist aber auch ein Spiegelbild unserer Unfähigkeit, uns selbst zu kontrollieren.

ⓘ Weitere technische Details zur Monocam und rechtliche Informationen zum Einsatz gibt es bei bussgeldkatalog.org.

Zwischen Ordnungswidrigkeit und Lebensgefahr

Ab sofort gilt: Wer mit dem Handy erwischt wird, zahlt 100 Euro und bekommt einen Punkt in Flensburg. Das ist kein Vorschlag, das ist Gesetz. Man kann das kritisieren, aber nicht ignorieren. Und wer glaubt, das sei zu hart, dem sei die Frage erlaubt, ob es weicher klingen würde, wenn das eigene Kind vom Radweg geholt werden muss, weil jemand beim Tippen den Lenkradwinkel falsch geschätzt hat. Es geht hier nicht um pädagogische Maßnahmen, sondern um Verantwortung. Verantwortung gegenüber dem Leben der anderen – und dem eigenen.

Denn ja, es ist bequem, mal schnell eine Nachricht zu schicken, dass man später kommt. Und ja, der Routenplaner ist praktischer als jedes Straßenschild. Aber es ist ein Trugschluss, zu glauben, dass Bequemlichkeit und Sicherheit sich nicht widersprechen. Wer in der Stadt, auf der Landstraße oder im Stau das Handy nutzt, setzt sich und andere einem zusätzlichen Risiko aus. Das mag in den meisten Fällen gutgehen. Doch wenn es schiefgeht, reicht ein einziger Moment, um ein Leben zu zerstören – oder mehrere.

Der Preis für diese Unachtsamkeit ist längst nicht mehr nur ein Bußgeld. Es ist das Vertrauen in den Straßenverkehr selbst, das auf dem Spiel steht. In eine Ordnung, die funktionieren muss, weil wir sonst aufhören, als Gesellschaft zu funktionieren. In diesem Sinne ist das Monocam-System keine Bedrohung. Es ist eine Antwort. Vielleicht keine perfekte, vielleicht nicht immer gerecht. Aber sie ist da – und sie ist besser als gar keine.

Und wenn wir schon dabei sind, ehrlich zu sein: Wer heute noch glaubt, er könne „mal eben schnell“ eine WhatsApp beantworten, während der Wagen rollt, der braucht keinen Vortrag über Verkehrsrecht. Er braucht eine Pause. Vom Ego, vom Drang zur ständigen Erreichbarkeit, vom Irrglauben, dass das eigene Leben wichtiger sei als das eines anderen. Die Straße gehört nicht dem Einzelnen. Sie gehört uns allen. Und wer das nicht kapiert, der verdient – nein, der braucht – ein Foto aus der Monocam. Am besten eines, das ihn wachrüttelt, bevor er jemanden ins Koma fährt. Denn der kurze Blick aufs Handy kann zum letzten Blick überhaupt werden. Und das ist dann auch keine Frage mehr der Technik – sondern der Tragik.

Ich selbst übrigens – auch geblitzt worden. Genauer gesagt: angehalten, weil ich während der Fahrt ins Handy sprach. Kein Anruf, keine WhatsApp, nur ein eingesprochener Text. Diktiergerät-Modus. Als Journalist, versteht sich, war’s natürlich ein ganz wichtiger Gedanke. Hundert Euro. Ein Punkt. Und ja – selbst schuld. Ich war zu doof. Gebe ich zu. Nicht die Technik war schuld, nicht die Polizei. Ich war es. Und genau deshalb weiß ich, wie schnell’s geht. Und warum es besser ist, vorher zu handeln – statt hinterher ein Protokoll zu diktieren, das man nie mehr abschicken kann.

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